Aus der heutigen NZZ:
"Der digitale Franken steckt für Privatanleger noch in den Kinderschuhen. Verschiedene Fintech-Unternehmen arbeiten an der Krypto-Landeswährung. Derweil hat die SNB andere Pläne.
Kommt da die eierlegende Wollmilchsau für Investoren um die Ecke? – Auf den ersten Blick könnte man dies beim Krypto-Franken meinen. Der «digitale Franken» vereint Eigenschaften auf sich, die ihn insbesondere in der Corona-Krise attraktiv erscheinen lassen. Diese Währung wird auf der Blockchain in dezentral verteilten Kassenbüchern (DLT) verwahrt und ist dabei rasch und günstig zu transferieren. Weil der «richtige» Franken eine der stabilsten Währungen der Welt ist und der Krypto-Bruder diesen eins zu eins abbildet, sollte auch dieser als sicherer Hafen in unsicheren Zeiten gelten. Im Gegensatz zu Guthaben auf Bankkonten werden auf digitalen Franken-Vermögen keine Negativzinsen fällig.
Mit Banknoten hinterlegt
Der bekannteste Stable Coin auf den Franken ist der XCHF (Crypto Franc) von Bitcoin Suisse. Jeder Token ist einen Schweizerfranken wert und wird von der Bitcoin-Suisse-Tochter Crypto Tokens emittiert. Jeder Krypto-Franken ist mit einem realen Franken hinterlegt – und zwar nicht mit Bankguthaben, sondern realen Banknoten, die in einem Safe gelagert werden. Bei der Herausgabe und Rücknahme von XCHF verlangt der Emittent eine Gebühr von 0,2%. Das Halten der Währung ist kostenlos. Der Token kann in einem handelsüblichen Wallet gehalten werden.
Der Investor muss sich jedoch bewusst sein, dass er mit dem XCHF kein Zahlungsmittel besitzt, vielmehr ist der digitale Franken mit einer Anleihe vergleichbar, dies mit einer Laufzeit von einem Monat, die sich automatisch verlängert. Hier liegt auch einer der grossen Unterschiede zum Franken und eines der Risiken des digitalen Frankens: Da der Token als Anleihensobligation mit Prospekt ausgestaltet ist, fiele bei einem Konkurs der Bitcoin-Suisse-Tochter das hinterlegte Kapital in die Konkursmasse.
Noch keine Verzinsung
Das Emissionsvolumen des XCHF beträgt 8,2 Mio. Fr. In den vergangenen Tagen nahm der Handelsumsatz stark zu und betrug über 24 Stunden an den Krypto-Börsen jeweils über 30 Mio. Diese Zahlen zeigen, dass dem «richtigen» Franken von dieser Seite noch kaum Konkurrenz widerfährt. Interessant könnte für Anleger dereinst die Verzinsung des XCHF werden. Zurzeit beträgt diese im Tiefzinsumfeld allerdings 0%.
Ein Bitcoin-Suisse-Sprecher stellt ein verzinstes Produkt in Aussicht: «Eine positive Verzinsung ist mit einem neuen Token möglich, der nicht mit Bargeld unterlegt, sondern auf einem Investment Portfolio basieren würde.» Dieses Portfolio könnte sowohl im traditionellen Bereich (z. B. Staatsanleihen) oder auch über neue, dezentrale Finanzsysteme (DEFI) umgesetzt werden.
Pläne geändert
Die Lancierung eines Krypto-Frankens beabsichtigte auch die Krypto-Börse Smart Valor. «Doch wir hätten die Negativzinsen an die Kunden weitergeben müssen», sagt Olga Feldmeier, CEO von Smart Valor. Es gebe nur zwei Möglichkeiten, dies zu umgehen. Entweder man betreibe Asset-Management und repliziere den Franken zu 80% mit realen Franken und 20% mit anderen Vermögenswerten, um die Negativzinsen aufzuwiegen, oder man hinterlege reale Banknoten in einem Tresor. Beim ersten Modell würde nicht der Frankenkurs gespiegelt, das zweite sei zu teuer und lasse sich nicht skalieren. Das im Jahr 2017 gegründete Schweizer Unternehmen betreibt eine Handelsplattform für digitale Assets und wird von namhaften Risikokapitalgebern unterstützt.
«Die Idee für einen Stable Coin ist aus dem Bedürfnis der grossen, vor allem asiatischen Krypto-Börsen entstanden», sagt Feldmeier. Viele Jahre hätten Investoren ihre Gelder nicht direkt an die Börsen überweisen können, weil die Banken diesen keinen Zugang zu Konten gewähren wollten. Mit Stable Coins können die Krypto-Handelsplätze Kundengelder ohne Bankverbindung entgegennehmen und müssen dabei auch keine Sorgfalts- und Geldwäschereibestimmungen erfüllen.
Digitales Gold als neue Währung
Wegen der Negativzinsen und der Reaktion der Notenbanken auf die Corona-Krise verlören immer mehr Investoren das Vertrauen in Fiat-Währungen, glaubt Feldmeier. Wenn immer mehr Geld durch die Notenbanken gedruckt würde, sei in Zukunft Gold die einzige stabile Währung, fügt die Smart-Valor-Geschäftsführerin an. Ihr Unternehmen hat daher in der vergangenen Woche einen Gold-Stable-Coin auf den Markt gebracht. «Es brechen wieder Prä-Bretton-Woods-Zeiten an, und Gold wird zur Währung – und zwar die einzig stabile», sagt sie dazu. Für den Gold-Stable-Coin wird die Währung mit realem Gold, das in Tresoren gebunkert wird, hinterlegt.
Einen «offiziellen» Krypto-Franken dürfte es so schnell nicht geben. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) argumentiert, es sei nicht Sache der Zentralbank, einen E-Franken für den Nichtbankensektor zu lancieren. «Ein breiter Zugang zu digitalem Zentralbankgeld würde das heutige zweistufige Bankensystem infrage stellen», sagt dazu ein SNB-Sprecher.
SNB sieht Gefahr eines Bank-Run
Statt wie heute als Bank der Banken zu operieren, träte die SNB als eigentliche Geschäftsbank auf und übernähme eine Rolle, die heute dem Privatsektor zukommt. Zudem könnte ein breiter Zugang zu digitalem Zentralbankgeld auch Gefahren für die Finanzstabilität mit sich bringen. Eine Umschichtung von Bankeinlagen in digitales Zentralbankgeld ist einfacher als in physische Banknoten. Dies könnte im Krisenfall das Risiko eines Bankensturms erhöhen.
Die Bemühungen der verschiedenen Zentralbanken bezüglich E-Währungen koordiniert die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Zu diesem Zweck wurde Mitte des vergangenen Jahres ein Innovation Hub mit Standorten in Hongkong, Singapur und der Schweiz gegründet. Die SNB experimentiert im Rahmen einer Machbarkeitsstudie im Bereich einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC, Central Bank Digital Currency) für Finanzinstitute. Im neusten Quartalsbericht schreibt die BIZ, «die potenziellen Vorteile der Zentralbank-Digitalwährung entsprechen nicht den grossen Herausforderungen einer Einführung». Die SNB hält in diesem Bericht fest, dass die zusätzlichen Vorteile momentan gering seien und die Risiken überwögen.
Privater Settlement-Franken
Einen digitalen Franken für Abrechnungszwecke hat zu Wochenbeginn die Sygnum Bank lanciert. Das Institut hat mit dem Sygnum Digital CHF (DCHF) einen an den Schweizerfranken gebundenen Settlement-Token lanciert. Für jeden an ihre Kunden ausgegebenen DCHF hält die Sygnum, als regulierte Schweizer Bank, den entsprechenden Betrag in Franken als Sicherheit bei der SNB. Der Settlement-Token ist gemäss Sygnum eine Schlüsselkomponente, um das Potenzial DLT-basierter Finanzinfrastruktur auszuschöpfen. Eine Transaktion, deren Abwicklung bisher mehrere Tage erforderte, erfolge nun unmittelbar, und das Gegenparteirisiko entfalle.
Digitaler Dollar als Teil des Hilfspakets
Der US-Kongress hat gerade ein Gesetz verabschiedet, das die Wirtschaft stimulieren und die Bürger in Zeiten der Corona-Krise unterstützen soll. Im Gesetzesentwurf, der von der Demokratischen Partei erarbeitet wurde, ist die Rede von einem «Digital Dollar», mit dem direkte Zahlungen an die Bürger möglich werden sollen. Die Digitalwährung wird dabei als ein in Dollar ausgedrückter Saldowert definiert, der aus digitalen Ledger-Eintragungen besteht, die als Verbindlichkeiten auf den Konten einer beliebigen Federal Reserve Bank verbucht und bei einem dazu berechtigten Finanzinstitut eingelöst werden kann. In der Schlussfassung des Gesetzes wurde diese Idee wieder entfernt. Auch in einzelnen Gliedstaaten, etwa New York, wird am digitalen Dollar gearbeitet. Die Frage ist nicht, ob, sondern wann der digitale Dollar kommt."
Quelle:
https://www.nzz.ch/finanzen/blockchain-der-krypto-franken-als-waehrung-ohne-negativzinsen-ld.1548481