[Eine Rezension aus Spektrum der Wissenschaft. Ich habe mir erlaubt die wichtigen
Passagen hervorzuheben]
David J.Hand
Die Macht des
Unwahrscheinlichen
Aus dem Englischen
von Werner Roller
Verlag: C.H.Beck, München 2015
ISBN: 9783406675942
21,95 €
Es gibt Menschen, die erzielen zweimal einen Lotto-Hauptgewinn oder werden mehrfach
vom Blitz getroffen. Und waren Sie im Urlaub schon einmal auf einem fernen Kontinent
in menschenleerer, abgelegener Gegend, und trafen dort zufällig Ihren Nachbarn? So
etwas erscheint uns als praktisch unmöglich – und doch passiert es. Wie kann das sein?
Hat nicht der berühmte französische Mathematiker Émile Borel (1871-1956) gesagt,
dass wir mit hinreichend unwahrscheinlichen Ereignissen im Alltag nicht rechnen müssen?
Der englische Statistiker David Hand zeigt im o.g. Buch, warum wir das Unerwartete
erwarten sollten. Verantwortlich für das Eintreten extrem unwahrscheinlicher Zufälle macht
er nicht Götter oder Wunder, sondern das
Unwahrscheinlichkeitsprinzip. Es ergibt
sich im Wesentlichen aus fünf Gesetzen, die Hand sorgfältig erklärt und mit vielen Beispielen
unterhaltsam veranschaulicht.
Dabei verlangt er seinen Lesern keinerlei mathematisches Vorwissen ab. Er legt den Stoff
sehr verständlich dar und beschränkt die mathematischen Inhalte auf ein notwendiges Minimum.
Rien ne va plusDas Gesetz der ganz großen Zahlen (nicht zu verwechseln mit dem Gesetz der großen
Zahlen) besagt etwa,
dass sogar das äußerst Unerwartete geschieht, sofern es nur genug
Gelegenheiten dafür gibt. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie oft die Rouletteräder in den Casinos dieser Welt bereits
gedreht wurden (sicher mehr als 137 Millionen Mal), dann ist man nicht mehr so erstaunt
darüber, was am 18. August 1913 in Monte Carlo geschah: Damals wurden 26 schwarze
Zahlen nacheinander angezeigt – ein Ereignis mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 1 zu
137 Millionen.
Spannend ist auch das Gesetz des Wahrscheinlichkeitshebels. Es besagt, dass eine
kleine Veränderung der Begleitumstände eine gewaltige Auswirkung auf die
Wahrscheinlichkeit haben kann. Geht man etwa davon aus, dass die Kursschwankungen bei
Marktpreisen einer so genannten Normalverteilung genügen, dann liegt die Wahrscheinlichkeit
für den Absturz des »S&P- 500« Aktienindex, wie er sich am 19. Oktober 1987 ereignete, bei
1 zu 10
160 (eine Eins mit 160 Nullen).
Ein solcher Crash sollte anschaulich
gesprochen nicht einmal dann auftreten, wenn das Universum noch weitere 20
Milliarden Jahre bestehen würde. Lässt man hingegen die Annahme der Normalverteilung
fallen und verwendet für die Modellierung die
Cauchy-Verteilung, die in
Diagrammdarstellung optisch ähnlich aussieht, dann ergeben sich Werte, die den Vorfall so
wahrscheinlich machen, dass wir ihn
im Laufe eines Menschenlebens erwarten können.
Gar nichts passiert nichtZu den weiteren Elementen des Unwahrscheinlichkeitsprinzips gehören das Gesetz von der
Unvermeidlichkeit (irgendein Ereignis wird sich mit Sicherheit einstellen, auch wenn für
jedes einzelne nur eine winzige Wahrscheinlichkeit besteht) oder das Gesetz von der
annähernden Genauigkeit (betrachtet man ähnliche Ereignisse als identisch, erhöht sich
die Anzahl der günstigen Fälle und damit die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses). Auch
wenn diese Gesetze auf den ersten Blick nicht besonders aussagekräftig anmuten, sind sie doch
wirkmächtig.