Ich denke, Bitcoins als Thema sollten eigentlich ganz gut geeignet sein für eine Diplomarbeit, insbesondere in Wirtschaftsinformatik. Ich schließe mich der Meinung über die Quellen-Problematik an, aber ein paar Ressourcen gibt es schon. Zitierfähig sind sicherlich das Original-Paper von Satoshi (wenn auch nicht auf üblichen Kanälen veröffentlicht) sowie diese Analyse über die Anonymität des Systems:
http://arxiv.org/abs/1107.4524. Außerdem forscht Dan Kaminsky anscheinend an dem Thema:
http://www.slideshare.net/dakami/bitcoin-8776098. Ich könnte mir vorstellen, dass dabei irgendwann auch ein Paper herausspringt, aber ich würde nicht darauf wetten.
Dem Mangel an Material könntest du auch begegnen, indem du den Rahmen der Arbeit etwas ausdehnst. Anscheinend haben sich schon einige Leute vorher den Kopf über das Thema P2P-Cryptocurrency zerbrochen, da solltest du wahrscheinlich als erstes nach stöbern. Die Mailingliste mit der Original-Ankündigung (
http://www.metzdowd.com/pipermail/cryptography/, Ende Oktober 2008) ist bestimmt ein guter Anknüpfungspunkt, und vielleicht können dir die Bitcoin-Experten auch in der Richtung weiterhelfen. Der Vergleich mit zentralisierten Internet-Währungen sollte auch nicht fehlen; die sind zwar technisch nicht besonders interessant, aber wirtschaftlich meiner Meinung nach schon: Wenn ich z.B. Linden-Dollar, e-gold und Liberty Reserve (streng genommen keine eigene Währung) vergleiche, sehe ich ganz unterschiedliche Gründe, warum Menschen Geld dafür ausgeben, insbesondere der Anfang der jeweiligen Währungen dürfte unter ganz unterschiedlichen Voraussetzungen abgelaufen sein, und darüber gibt es möglicherweise zitierbare Quellen. Beim Vergleich mit Bitcoin fällt auf, dass Bitcoin anders als die genannten Währungen quasi "aus dem Nichts" entstanden ist; es gab nie eine Institution, die für Bitcoin einen bestimmten Gegenwert versprochen hat.
Von solchen wirtschaftlichen Aspekten habe ich zwar keine besondere Ahnung, aber an relevanten Quellen mangelt es sicher nicht. Ich finde an Bitcoin eigentlich ganz spannend, dass die bekannten ökomischen Theorien teilweise zu ganz unterschiedlichen Prognosen führen. Die Vielfalt der Meinungen bietet potentiell auch viel Stoff für eine Diplomarbeit. Dieses Forum ist natürlich schon mal ein guter Anfang, aber auch relativ einseitig. Auf der folgenden Seite findet sich dagegen eine ziemlich große Bandbreite an Ansichten:
http://www.quora.com/Bitcoin/Is-the-cryptocurrency-Bitcoin-a-good-idea. Ich war über einen Blog-Eintrag darauf gestoßen, in dem jemand die Argumente des Beitrags von Adam Cohen sehr überzeugend auseinandergenommen hatte, den ich jetzt aber leider nicht mehr finde. Besonders ansprechend fand ich darin die Überlegung zum Thema Deflation, die in etwa so lautete: Das (behauptete) Problem bei der Deflation ist nicht direkt die Geldmenge, sondern der steigende Wert (relativ zu anderen Währungen oder Waren), der angeblich dazu führt, dass Geld hauptsächlich gehortet wird und der Geldfluss zum Erliegen kommt, Bitcoin also scheitert. Wenn der Wert von Bitcoin steigt, heißt das aber nichts anderes, als dass Bitcoin erfolgreich ist. Es gibt also offenbar einen Widerspruch, der aber die Frage aufwirft, was statt dessen passiert, ob es sich z.B. um entgegengesetzte Kräfte handelt, die sich ausbalancieren oder auch nicht. Da lässt sich sicher eine Menge drüber schreiben, zumal sich aufgrund der öffentlichen Historie (Blockchain und Tauschbörsen) ja besonders gut ermitteln lässt, wie das Verhalten bei den (extremen) Preissteigerungen in der Vergangenheit wirklich war.
Eine eher Bitcoin-spezifische Frage ist die Ökonomie rund um das Thema Mining. Weil dieses Thema maßgeblich von Stromkosten bestimmt wird, sind z.B. die wirtschaftlichen Auswirkungen von Mining-Botnets eine Untersuchung wert. Die "Mietkosten" für ein Botnet scheinen ja (weit?) unter den Stromkosten für die gleiche Rechenleistung zu liegen, was die Frage aufwirft, ob Botnets potentiell den gesamten Mining-Markt übernehmen könnten (so wie heute niemand mehr Mining mit CPUs betreibt). Besonders interessant wären die Auswirkungen auf die Sicherheit von Bitcoin.
Auf der technischen Ebene lässt sich Bitcoin auch als Überweisungssystem betrachten, es bietet sich also der Vergleich mit Überweisungen zwischen Banken (SWIFT etc.) und existierenden Bezahlsystemen im Internet an, über die mit Sicherheit auch schon eine Menge geschrieben wurde.
Eigene Forschung ist in einer Diplomarbeit normalerweise auch gerne gesehen (aber unbedingt mit Betreuer absprechen!). Ein großes Thema ist ja die Skalierbarkeit, und verwandt damit auch die Frage nach den minimalen Anforderungen an Speicherplatz und Netzwerk-Bandbreite, die ein Client erfüllen muss, um am Protokoll teilnehmen zu können. Ein ambitionierteres Forschungsthema wären mögliche Verbesserungen am Protokoll selbst (nicht nur im Bereich Skalierbarkeit). Das Problem dabei ist allerdings, dass sich das Bitcoin-Protokoll wohl nicht mehr ändern wird, und sich deshalb die Realisierbarkeit schwer überprüfen lässt.
Ich habe in den letzten Tagen über eine solche "was wäre wenn"-Frage gegrübelt, und zwar bezüglich der initialen Geldverteilung. Ich denke, Satoshis Überlegung wird ungefähr so gewesen sein: Das System braucht sowieso Mitglieder, die Rechenleistung zur Verfügung stellen, also koppeln wir die anfängliche Verteilung an den gleichen Mechanismus und schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Das war womöglich sogar ein wichtigerer Baustein, als es auf den ersten Blick scheint, denn einerseits haben sich viele Nutzer wohl gedacht, ein bisschen den Rechner laufen zu lassen kann ja nicht schaden (und stopft vor allem keinem der Erfinder direkt Geld in den Rachen), und andererseits hatten potentielle Abnehmer von Bitcoins die Gewissheit, dass die Erzeuger der Bitcoins diese nicht ganz umsonst bekommen hatten (weil sie ja immerhin ihren Rechner laufen lassen mussten). Dadurch gibt es jetzt eine relativ große Anzahl an Bitcoin-Nutzern, was für Bitcoin im Prinzip positiv ist, was aber noch nicht dazu führt, dass diese Nutzer auch eine ernstzunehmende Wirtschaft auf die Beine stellen, weil kaum ein einzelner Nutzer einen finanziellen Anreiz dazu hat. Deshalb habe ich darüber nachgedacht, ob man einen solchen Anreiz nicht ebenfalls an diesen Mechanismus koppeln könnte. Z.B. indem man einen Teil der "umsonst" erhaltenen Bitcoins nur dann weiter-transferieren kann, wenn andere Nutzer die eigene Leistung für die Bitcoin-Wirtschaft honorieren. Ich denke, das könnte als Teil von Transaktionen automatisiert werden, insbesondere müsste es so funktionieren, dass z.B. eine Überweisung an einen Online-Shop automatisch den Besitzer des Shops "honoriert". Über die Details habe ich mir allerdings noch keine Gedanken gemacht, und ich glaube sowieso nicht, dass sich etwas wie Bitcoin so schnell wiederholen lässt.
So, ich hoffe mal, diese Anregungen ergeben einigermaßen Sinn. Es würde mich freuen, eine Diplomarbeit zum Thema Bitcoin zu sehen.