Die Internet-Währung Bitcoin funktioniert ohne zentrale Aufsicht - und zieht Hacker, politische Aktivisten, Drogenhändler und junge Unternehmer in ihren Bann. Besuch auf einem Bitcoin-Tauschtreffen in Berlin.
Der Euro ist ein Flop, niemand will Papiergeld und das Geldmonopol gehört beendet: Das etwa singt ein Cowboy in rotem Hemd mit silberner Gitarre. Er nennt sich Bitcoin Bob und tritt auf der dritten Bitcoin Exchange Berlin auf, einem Treffen in einem Kunst-Containerbau in Mitte, bei dem die Besucher Euro in die Internet-Währung Bitcoin tauschen können.
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Rund zwei Dutzend Bitcoin-Fans scharen sich am Samstag um die drei Händler mit ihren schwarzen Melonenhüten, die auf kleinen Tafeln ihren Verkaufspreis geschrieben haben. Das beste Angebot: ein Bitcoin für 83 Euro. Seit vier Jahren gibt es Bitcoin, dahinter steht ein dezentrales Netzwerk ohne staatliche Aufsicht. Die Nachfrage bestimmt den Wechselkurs, Überweisungen finden mit verschlüsselten Codes statt.
Einige Websites bieten das Bezahlen per Bitcoin an, als Alternative zu PayPal oder Kreditkarten. Erste Läden akzeptieren die elektronische Währung, allen voran Room 77, ein Burgerladen in Berlin. Smartphone rausholen, QR-Code einscannen, Okay klicken - fertig. Am bekanntesten dürfte jedoch der Online-Drogenumschlagplatz Silk Road sein, eine Art Ebay für Pillen, Marihuana und andere Rauschmittel.
"Bitcoin wird niemals illegal"
Ein junger Mann im blauen T-Shirt, Gregor, drückt einem der Händler 20 Euro in die Hand und bekommt den Gegenwert in Bitcoin auf sein Handy geschickt. "Das ist für den täglichen Bedarf", sagt Gregor. Täglicher Bedarf? "Naja, so viel kaufen kann man mit Bitcoin noch nicht, aber zum Beispiel Serverplatz mieten." Er habe auch schon bei Online-Händlern Bitcoin gekauft, sagt er, das persönliche Tauschen von Bargeld sei aber anonymer - ohne Kontonummer und Datenspuren. Längst interessiert sich die US-Finanzaufsicht für das Treiben, will wissen, was Online-Händler etwa gegen Geldwäsche unternehmen.
Neben Gregor erklärt ein Bitcoin-Fan einer Besucherin, wie das mit der Silk Road funktioniert. Auf der Website der Bitcoin Exchange Berlin gibt es extra einen Leitfaden für den Umgang mit Journalisten: Fragen nach Drogen und Kriminalität sollen die Besucher des Tauschtreffens lieber ignorieren und stattdessen erzählen, dass sich mit der Internet-Währung etwa Geld zu niedrigen Preisen in andere Länder überweisen lässt.
Ein Kamerateam von "Russia Today" ist da, der Sender berichtet später atemlos aus der "Bitcoin-Hauptstadt Berlin". Seitdem die Bundesregierung Bitcoin in einer offiziellen Antwort als "privates Geld" bezeichnet hat, überschlagen sich englischsprachige Medien mit Meldungen von der angeblichen offiziellen Anerkennung. Der Veranstalter der Bitcoin Exchange Berlin, Aaron Koenig, sagt: "Damit wird Bitcoin niemals illegal." Den Euro bezeichnet er hingegen als Trash-Geld.
Organisator ist Mitglied der AfD
Koenig hat auch das Bitcoin-Lied geschrieben, in dem vom Ende des Euro die Rede ist. Als Herausgeber eines "freisinnigen politischen Magazins" im Internet bewegt er sich politisch in einer Ecke mit Liberalen und Rechtspopulisten. Aus der Piratenpartei trat er 2010 im Streit aus, nachdem er das Schweizer Minarettverbot begrüßt hatte. Anschließend gründete er mit René Stadtkewitz "Die Freiheit", die er ebenfalls wieder verließ. Mittlerweile ist er bei den Euro-Gegnern Alternative für Deutschland - und er organisiert die Bitcoin-Börse.
Die dezentrale Währung ist der Traum der staatsskeptischen Libertären: freies Wirtschaften ohne staatliche Aufsicht. Nicht von Ungefähr war bei einem Treffen von Bitcoin-Aktivisten Anfang August, auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof, der 3-D-Waffendrucker Cody Wilson dabei. Mit den Anleitungen zum Waffenbau, die Wilson über das Internet verteit, verhält es sich ähnlich wie mit der Crypto-Währung: Der Staat ist ziemlich machtlos gegen das anarchistische Treiben.
Woher stammen die Bitcoins, die hier getauscht werden? Einer der Händler, Typ stämmiger Hacker, will dazu lieber nichts sagen. Überhaupt: Er spreche nicht mit der Presse. Unter der Melone trägt er zusätzlich noch ein schwarzes Cappy und eine dunkle Sonnenbrille.
Gelderschaffung aus dem Nichts
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Neben mehr oder weniger illegalen Geschäften gibt es noch eine mögliche Erklärung für die Geheimnistuerei: Wer Bitcoin-Software installiert hat, kann dem Netzwerk Rechenpower zur Verfügung stellen und bekommt dafür neue Bitcoins gutgeschrieben. "Mining" heißt die Gelderschaffung aus dem Nichts, mit den passenden Computern, etwas Strom und Zeit kann man gerade schnell reich werden. Wer die Bitcoins mindestens ein Jahr aufbewahrt, muss wohl keine Steuern zahlen, analog zu Gold. Wie der Staat das kontrollieren will, ist unklar - womöglich sollen Finanzämter gar nicht erst aufmerksam werden.
Neben dem Euro-Umtausch und ersten Geschäften, die mit Bitcoin experimentieren, gibt es noch eine andere Möglichkeit. Auf dem Treffen stellen Jan Goslicki und Jörg von Minckwitz all4btc vor. Über die Seite lassen sich Ebay- und Amazon-Artikel mit Bitcoins bezahlen. Zwischen 20.000 und 30.000 Euro Umsatz machen die beiden Studienabbrecher damit bereits im Monat. Ihren Gewinn versteuern sie ganz nach Vorschrift.
"Noch führen wir unsere Bücher in Euro", sagt von Minckwitz. Aber sie überlegen, ganz auf Bitcoin umzustellen - um zu zeigen, dass die virtuelle Währung zum geschäftlichen Einsatz taugt. Mit ihrer Firma Bitsandcoins Consulting wollen sie anderen Firmen beim Einsatz des Euro-Ersatzes helfen. Für Pioniere kann sich der Einsatz für die Währung lohnen: Anfang des Jahres kostete ein Bitcoin 15 Euro, aktuell sind es rund 90 Euro. Ein Plus von 600 Prozent.
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