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Topic: Tezos Hintergrundbericht in der NZZ vom 27.8.2018 (Read 106 times)

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Seit dem Rücktritt des Stiftungspräsidenten der Zuger Tezos Foundation ist nichts mehr vom Blockchain-Projekt zu hören – was heisst das?

In der Region um Zug haben Firmen wie Tezos und Envion mittels ICO viel Geld aufgenommen. Das lief nicht immer problemlos und könnte sich für die Region zum Reputationsrisiko entwickeln.

Es ist ruhig geworden um die Tezos Foundation aus Zug. Und das ist ein gutes Zeichen für das Blockchain-Projekt. Lange gab es nur Negativschlagzeilen – und das weltweit. Im Juli 2017 sammelte das US-Ehepaar Arthur und Kathleen Breitman 232 Mio. $ in einem Initial Coin-Offering (ICO) ein. Rasch stellte es sich als Fehlentscheid heraus, dass die Gründer das ICO über eine Schweizer Stiftung in Zug durchführten und als Präsidenten Johann Gevers einsetzten. Zwar vermehrte sich das eingesammelte Geld dank dem Krypto-Boom ohne eigenes Zutun, aber es konnte nicht eingesetzt werden. Der in der Zuger Krypto-Szene bekannte Gevers verkrachte sich mit den Breitmans und blockierte die ICO-Gelder. Die Investoren erhielten ihre Coins nicht, und die Entwicklung des Tezos-Protokolls verlangsamte sich.

In dieser Zeit hatte Gevers auch Probleme mit seinem Blockchain-Projekt Monetas, einer Plattform, die über Smartphone-Apps allen Menschen den Zugang zu Bankdienstleistungen ermöglichen sollte. Er musste alle Mitarbeiter entlassen, im Herbst 2017 ging Monetas Konkurs. Die «Tezos Community», eine Interessengemeinschaft von Investoren und Entwicklern, die wegen des Vorgehens von Gevers ihre Coins, die Tezzies, nicht erhielten, schloss eine Petition Ende 2017 mit den Worten: Die Bezeichnung von Zug als «Krypto-Valley» könne schon bald als «Klepto-Valley» bekannt werden. Dabei spielten die unzufriedenen Investoren auf den Umstand an, dass die Stiftung dabei versagte, ihren Verpflichtungen nachzukommen und ihren Zweck zu erfüllen – und die Schweizer Behörden tatenlos zusahen. Die in Technologiekreisen geschätzte Branchenzeitschrift «Wired» widmete Tezos im Juli 2018 eine vielbeachtete Geschichte, die 48 Seiten umfasste, mit dem Titel «Inside the Crypto World’s Biggest Scandal». Der Artikel endet aber im Februar, zum Zeitpunkt, als Gevers klein beigab und die Stiftung verliess. Nachher fehlte für das breite Publikum die Dramatik in der Unternehmensgeschichte, denn der neue Präsident der Tezos Foundation ist bestrebt, die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich auf die Entwicklung der Technologie zu fokussieren.
 
Der neue Präsident der Tezos Foundation will die Vergangenheit ruhen lassen.

«Ich hatte nie den Plan, Präsident der Tezos-Stiftung zu werden», sagt Ryan Jesperson. Vor einigen Jahren arbeitete der Amerikaner noch als Turnaround-Spezialist im Gesundheitssektor und hatte dabei oft mit Software-Lösungen zu tun, «die nicht zu überzeugen vermochten». Anschliessend wechselte Jesperson in die Entwicklungshilfe. Als er die Blockchain-Technologie entdeckte, war er überzeugt, dass diese «das Potenzial hat, die Welt zu verbessern». Ein Freund führte ihn beim Tezos-Netzwerk ein. Ihn habe überzeugt, dass im Gegensatz zu Projekten, die nur auf dem Papier bestanden hätten, schon viel Entwicklungsarbeit in Tezos gesteckt und das Netzwerk funktioniert habe. Jesperson engagierte sich in der «Tezos Community», die sich vehement gegen den Stiftungspräsidenten Gevers wehrte, und wurde deren Stimme. Die Vorgänge in der Stiftung im Herbst 2017 weckten bei den Mitgliedern der Gemeinschaft, die über den ganzen Erdball verteilt sind, grosse Sorgen. Ende 2017 gab die Interessengemeinschaft eine Petition heraus, die das bisherige Missmanagement beschrieb, den Stiftungsrat dazu anhielt, «die Entwicklung des Tezos-Protokolls zu fördern und zu finanzieren», und den Rücktritt von Gevers forderte. Jesperson und seine Mitstreiter sammelten für ihr Anliegen annähernd 2000 Unterschriften und engagierten einen Schweizer Anwalt.

Weil Jesperson und seine Mitstreiter feststellten, dass dem Projekt die Mittel nicht zukamen, die für die Weiterentwicklung des Protokolls nötig waren, entschlossen sie sich, dieses Geld selbst einzuschiessen. Doch bald stiess die Gruppe an Grenzen und entschied, eine zweite Stiftung zu gründen, welche das Protokoll lancieren würde, falls die ursprüngliche Foundation dies nicht täte. «Die Innovation und die Software, die in der Zwischenzeit lanciert worden waren, mussten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden», erklärt Jesperson. Nach dem Abgang von Gevers wurde er im Februar zum Präsidenten der Tezos Foundation gewählt. Als Erstes sorgte er dafür, dass die Fehler der Vergangenheit sich nicht wiederholen können. «Wir haben unseren gesamten Fokus auf die Sicherheit des Protokolls gelegt, die Stiftung übergaben wir dagegen einem einzelnen Mann», sagte Kathleen Breitman gegenüber «Wired». Jesperson erweiterte den Vorstand auf sieben Personen, zudem engagierte Tezos mit PwC als erstes Blockchain-Projekt eine externe Wirtschaftsprüfung. Obwohl sich die Gründer wenig wohlwollend über die Krypto-Szene in Zug und die hiesigen Behörden äusserten, sieht Jesperson den Sitz von Tezos auch in Zukunft in Zug.

Nun muss der Beweis erbracht werden, dass dieses Protokoll die Blockchain der Zukunft ist.

Zwar führten die Entwickler die Arbeit am Protokoll fort, doch das Projekt hat durch die Blockade Zeit verloren. Auch andere Unternehmen wie Dfinity, Eos und Neo arbeiten an vergleichbaren Projekten der «Blockchain 3.0». Oft wird Bitcoin als «Blockchain 1.0» beschrieben. Diese Kryptowährung, die seit neun Jahren in Gebrauch ist, erlaubte erstmals, Werte weltweit sicher und günstig ohne Intermediäre zu verschieben. Mit der Lancierung von Ethereum wurde die «Blockchain 2.0» eingeläutet. Diese Kryptowährung erlaubt es, Werte ohne Drittpersonen zu transferieren, gleichzeitig kann mit der Transaktion auch ein Computer-Code verbunden werden, der Bedingungen enthält (Smart Contract). Dieser Code legt fest, dass eine Transaktion ausgelöst wird, sobald eine solche erfüllt ist.

Heute machen Projekte der «Blockchain 3.0» wie Tezos auf sich aufmerksam. Diese Währungen arbeiten nach dem «proof of stake»-Prinzip. Andere Protokolle, etwa der Bitcoin, basieren auf dem «proof of work»-Konzept. Die Sicherheit wird dabei durch einen gigantischen Rechenaufwand garantiert, der mittlerweile zu einem Problem geworden ist. Beim «proof of stake» prüfen und garantieren die Stakeholder, also die Besitzer der Token, die Sicherheit des Netzwerks. Ein weiterer Pluspunkt ist gemäss Jesperson die eingebaute «Selbstverbesserung» (On-Chain-Development). Anders als etwa bei Bitcoin oder Ethereum, wo sich die Besitzer über Twitter streiten, welche Anpassungen vorgenommen werden sollten, und nicht gelöste Dispute zu Abspaltungen (forks) wie Bitcoin Cash oder Ether Classic führen, trage Tezos die Veränderung in sich selbst. Jeder Token berechtigt zu einer Stimme für Entscheide über Protokollveränderungen – das Netzwerk passt sich so nach Mehrheitsentscheiden automatisch den Wünschen an.

«Damit wurde ein altes Problem von viel genutzten Infrastrukturen gelöst, die zwar intensiv gebraucht, dadurch aber nie verbessert oder modifiziert werden, wie etwa das Internet», erklärt der Tezos-Präsident. Niemand habe beim Internet Interesse daran, das Grundprotokoll TCP/IP zu verbessern, weil darauf mächtige Anwendungen wie Google oder Facebook betrieben würden. Diese Unternehmen «saugten» den Wert aus der Grundlagentechnologie, ohne diese weiterzubringen. Das Gleiche sei mit Bitcoin geschehen. Viele Unternehmen wollten mit der Kryptowährung Geld verdienen, aber nur wenige Entwickler wollten die Blockchain von Bitcoin weiter voranbringen.

Am 30. Juni 2018 wurde die Betaversion von Tezos lanciert, und sie wird gemäss Jesperson von Anwendern rund um die Welt rege genutzt. «Wir wollen die erste Blockchain sein, welche die neue Technologie mit real existierenden Anwendungen verbindet und diese so unterstützt, wie sie bereits in der Realwirtschaft in Gebrauch sind», fügt er an. Die kommerzielle Anwendung, etwa die Verwendung der Blockchain durch Banken, Versorger o. Ä., steht aber noch aus. Dies soll aber bald erfolgen. Die Stiftung hat vorerst Darlehen an Universitäten und andere Institutionen erteilt mit dem Ziel, entsprechende Anwendungen zu entwickeln. Insgesamt hat Tezos die Führungsprobleme gelöst. Nun muss aber der Beweis erbracht werden, dass dieses Protokoll die Blockchain der Zukunft ist.

«Einzelfälle ruinieren den Ruf Zugs nicht»

gru. · Der Kanton Zug umgarnt die Krypto-Gemeinde mit Erfolg. Zahlreiche Firmen und Organisationen haben sich am Zugersee niedergelassen. «Bei den Steuereinnahmen findet das noch keinen Niederschlag», sagt Heinz Tännler, Vorsteher der kantonalen Finanzdirektion. Dies seien Projekte für die Zukunft, die Branche habe schon viele Jungunternehmen und Arbeitsplätze in den Kanton gebracht.
Die neue Industrie generiert indes auch Negativschlagzeilen – nicht nur in Zug. Bei der Tezos Foundation wurde «nur» darum gestritten, wer Zugriff auf die Gelder aus dem ICO hat. Im Hintergrund besteht hier ein konkretes Entwicklungsprojekt. Anders sieht es im Fall von Envion aus. Das deutsche Unternehmen plante mit mobilen Mining-Containern, die zu günstigen Stromquellen transportiert werden sollten, das grosse Geschäft. Das ICO brachte 100 Mio. $ ein. Die Gesellschaft aber wurde nie operativ tätig. Gründer und Management streiten sich über die Kontrolle und die eingenommenen Mittel. Mittlerweile ermittelt die deutsche Staatsanwaltschaft.
«Es gibt in jeder Branche schwarze Schafe – in jungen, schnell wachsenden Industrien vielleicht noch etwas mehr», sagt Tännler. «Aber Einzelfälle ruinieren den Ruf von Zug nicht.» Auch in der Rohstoffbranche hätten einzelne Firmen Reputationsprobleme gehabt; dem Rohstoffstandort Zug habe das keinen Schaden zugefügt. «Es gibt hier viele seriöse Kryptounternehmen, die an vielversprechenden Projekten arbeiten – über die aber kaum berichtet wird», fügt der Finanzdirektor an.

Quelle: https://www.nzz.ch/finanzen/tezos-und-andere-problemfaelle-im-krypto-valley-ld.1414665
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