Den Ansatz weitergedacht fände ich Allokation K = f(Haltedauer) und Haltedauer = f(Preis) als Ansatz jedenfalls spannend.
Das ist eine gute Idee. Um eine Haltedauer = f(Bitcoinpreis vs. Trendpreis) abzuschätzen, sehe ich mir an, wie lange der Bitcoinpreis braucht, bis er wieder zum Trend zurückkehrt.
Ich habe hier den Bitcoinpries vs. Trend in blau aufgetragen und in orange angezeigt, wie viele Tage wir brauchten, damit der Preis wieder den Trend kreuzt. Wir können sehen, dass der Bitcoinpreis den Trend bisher nie länger als 868 Tage verlassen hat.
Anstatt im Zeitverlauf lässt sich diese Grafik auch als Punktgrafik mit Bewertung auf der X-Achse und Tagen bis zum Trend auf der y-Achse darstellen:
Jeder Kreis ist eine Kombination aus (i) Bewertung und (ii) Tage bis zur Rückkehr zum Trend. Ein Punkt x=1,5, y=600 bedeutet, der Bitcoinpreis lag an einem Tag bei Trendpreis*e^1.5. Hier hat es 600 Tage gedauert, bis Bitcion wieder auf den Trend zurückgefallen ist.
Die orange Kurve zeigt uns an, wie lange wir durchschnittlich warten mussten, bis Bitcoin wieder zum Trend zurückkehrte. Wenn Bitcoin etwas weiter von Trend entfernt war (<-0.5 oder >+0.5) hat Bitcoin durchschnittlich 300 Tage benötigt, wieder zum Trend zurückzufinden. Wenn der Bitcoinpreis nahe am Trend war, hat die Rückkehr zum Trend durchschnittlich deutlich kürzer (100-200) Tage gedauert. Evtl. würdest du erwarten, dass die orange Kurve den Punkt 0/0 schneidet. Wenn wir knapp neben dem Trend liegen, dauert es durchschnittlich ja keine 100 Tage mehr, zum Trend zurückzukehren. Hier handelt es sich jedoch um eine Durchschnittsrechnung mit +/- 100 Datenpunkten. Man kann diesen Durchschnitt natürlich auch mit weniger Datenpunkten rechnen (+ / - 10 Datenpunkte in der roten Kurve) damit schneiden wir den Punkt 0/0, haben hier aber eine weniger glatte Kurve:
Kommen wir zurück zu unser Hauptgrafik:
Wenn wir unter Trend liegen, wie lange ist unser Anlagehorizont gem. Kelly?
Das kommt darauf an, wie vorsichtig wir sind:
❶ Da wir bisher maximal 868 Tage unter Trend verbracht haben, wäre mein Kelly-Horizont von 5 Jahren (=1825 Tagen) schon recht konservativ. Und selbst diese konservative Rechnung führt zu einer Bitcoinallokation von aktuell 65,6% des Lebensvermögens.
❷ Man könnte auch weniger Risikopuffer, wie z.B. 900 Tage fordern, damit würden wir auf 81,7% Allokation kommen.
❸ Man könnte auch argumentieren, dass wir aktuell nahe am Trend liegen und nur 90% sicher sein möchten, dass wir innerhalb der Zeit wieder zum Trend zurückkehren. Zusätzlich sind wir ja aktuell in der Nähe des Trends. Gemäß hellroter Kurve können wir damit rechnen, mit 90% Wahrscheinlichkeit innerhalb von 300-400 Tagen wieder zum Trend zurück zu kehren. Dies wäre aktuell eine Kelly-Allokation von 91,5% - 93,6%. Diese Berechnung ist zu riesikofreudig, weil wir innerhalb des Zeithorizontes nicht nur das Risiko eines Scheiterns von Bitcoin haben, sondern zusätzlich noch das unberücksichtigte Risiko, dass wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% länger brauchen, um wieder zu Trend zurück zu kehren.
➤ Ich denke rein rechnerisch lässt sich eine Kelly-Allokation von 80% (anstatt 66%) rechtfertigen. Gefühlt wären 80% Bitcoinallokation schon eher zu viel. Ohne eine Bestätigung dieses Ergebnisses im Rahmen einer Optimierung meiner hedonistischen Nutzenfunktion würde ich den Wert von 80% nicht übernehmen. Und selbst, wenn alle Rechnungen sagen 80% ist besser als 66%, wäre ich evtl. trotzdem eher vorsichtig.
In der Praxis verfehle ich selbst die niedrigere 66% Bitcoinallokation und muss mir nicht akut Gedanken über eine Aufweichung dieser Bedingung auf 80% machen. Dennoch sollte ich die Bedingungen vorab festzurren, sonst werkelt man immer ad-hock an seinem Plan herum, was zu emotionalen Entscheidungen führen würde.
Für eine niedrigere Allokation würde auch eine beschränkte Möglichkeit sprechen, Bitcoin in Fiat umzuwandeln. Wer plötzlich zu großen Reichtum, der lockt evtl. die falschen Menschen an. Wenn wir unsere Bitcoinverkäufe über einen langen Zeitraum strecken müssen, dann müssen wir früher mit den Verkäufen anfangen und haben eine längere durchnittliche Haltefrist.
Hindernisse einer höheren Bitcoinallokation
Ob jetzt das Optimum 66% oder 80% beträgt, wenigstens müsste ich mich bemühen, Richtung 66% Bitcoinallokation zu gehen.
Liquiditätsgrenze: Mein Vermögen ist teilweise illiquide (zukünftige Gehälter, unser Haus) und wird teilweise für die Liquiditätskasse benötigt. Liquidität ist aktuell keine bindende Bedingung, weil ich Gold/Aktien verkaufen könnte bzw. Kredite aufnehmen könnte. Die hohe erwartete Rendite von Bitocoin, kann die Kreditzinsen erwirtschaften.
-> Liqudität lässt sich bereit stellen
Drawdown-Grenze: Für Aktien/Gold erwarte ich einen Drawdown von 35% (historisch beobachtetes Maximum lag bei 30%). Für jeden 0,65€ Liquiditätsbedarf benötige ich 1€ in 50% Gold und 50% Aktien. Ich decke niedrig verzinste Kredite in meiner Liquiditätskasse mit höher verzinsten Aktien / Gold ab und erwirtschafte die Differenz, was sich erstmal gut anhöhrt. Allderings reduziert mein Aktien/Gold-Portfolio meine maximale Bitcoinallokation. Ich könnte nämlich 0,65€ Kredit zurückzahlen und für 0,35€ zusätzlich Bitcoin kaufen. Ich verliere dadurch eine Rendite von 6,5% auf mein Aktien/Gold-Portfolio und gewinne dadurch ca. 41%*0,35 = 14% für meine Bitcoin. Alle Aktien, die sich steuerneutral verkaufen lassen, sollte ich daher verkaufen. Da meine passiven latenten Steuern (durch unrealisierte Gewinne in den Aktien) einen kostenlosen Kredit vom Finanzamt darstellen, lohnt sich ein Verkauf von Aktien und ein Kauf von Bitcoin weniger. Ab einer Aktienrendite von 12-14% p.a. wären Aktien genauso attraktiv, wie Bitcoin mit einer Rendite von 41% p.a.
-> ein Teil meiner Aktien und ein Teil vom Gold ließen sich verkaufen
Zyklus-Grenze: Einen Teil der 66% habe ich für Zyklus trading reserviert, wenn der Bitcoinpreis zwischen Trend*e^-0,3 und e^-0.5 liegt. Entweder weiche ich mein Zyklus-Budget auf oder erhöhe die 66%-Grenze (erfordert eine hedonsitische Optimierung).
-> Da der Bitcoinpreis aktuell auf Trend liegt, kann ich jetzt schon bis zum Limit kaufen und muss nicht unbedingt warten. Im Erwartungswert ist es besser jetzt zu kaufen. Mit dem Zyklustrading kann ich dann bei der nächsten möglichen Überbewertung von Bitcoin anfangen.
Zusammenhang zwischen Zyklus-Trading und Kelly-Allokation
Bisher hast du als Cut-Off Preis für den Verkauf ja meist Trend +750 Tage angenommen. Wenn deine Allokation bei Trend + 750 Tagen auf 0% fällt, steckt dann da nicht eine implizit angenommene Kelly-Haltedauer von ~2 Jahren drin?
Die 750 Tage waren optimiert bezüglich der Outperformance zu buy and hold.
Tatsächlich sind wir in der Vergangenheit schon bei einer Überbewertung von Trend+500 Tagen und mehr immer vor den 500 Tagen wieder auf Trend zurückgefallen. Ab Trend + 300 Tagen lag die Wahrscheinlichkeit innerhalb dieser 300 Tage wieder auf Trend zurückzufallen bei ca. 90%.
Der Grund für den Cut-off-Punkt von 750 Tagen ist, dass man eine Blase noch profitabel etwas weiter reiten kann auch wenn sie ultimativ platzt.
Diversifikation
Was ich mich zusätzlich gefragt habe ist ob es bei der Portfoliodiversifikation Erfahrungswerte bzw. "Goldene Regeln" gibt, was die maximale Gewichtung einer Assetklasse angeht. Auch wenn ich ein BTC-Gewichtung von 80% rechnerisch durchaus nachvollziehen kann erscheint mir das intuitiv viel zu hoch für ein "diversifiziertes" Portfolio.
Ⓐ In der Volkswirtschaftslehre rechnet man mit Nutzenfunktionen. Auf dieser Basis habe ich ein optimales Gewicht von 2/3 berechnet.
Ⓑ Es gibt Volatilitätsgewichtungen, da hätte Bitcoin aufgrund seiner Volatilität ein recht kleines Gewicht in der Größenordnung von 10%. Dank der guten steuerlichen Behandlung von Bitcoin in Deutschland und hohen Gewinnerwartung habe ich bis 2-3 Monaten noch mit modifizierten Volatilitätsgewichten gerechnet (Zielgewicht ca. 40%).
Ⓒ Dann gibt es noch naive Ansätze z.B. 50% Aktien, 50% Bonds, die aufgrund sinkender Zinsen und negativer Korrelation zwischen 1980-2020 gut funktioniert haben, aber jetzt nicht mehr so gut funktionieren.
Ⓓ Das effiziente Marktportfolio berechnet anhand historischer Renditen und Korrelationen würde fast nur aus Bitcoin bestehen. Ggf. sogar über 100% Bitcoin und ein short auf ein paar Aktien.
senetimentale Brabbelei
Mir wurde als Kind mal gesagt, ich neige zu extremen. Ich denke mir: "Entweder ist es richtig, dann mache ich das so gut ich kann, oder er ist falsch, dann mache ich es nicht". Das führt schon dazu, dass ich nicht den Mittelweg wähle, zumindest bei den Dingen, die mir wichtig sind. Zudem bin ich vom Beruf auch ein bisschen geprägt, wo wir verpflichtet sind, zum besten Preis abzuschließen, während das privat lockerer ist.
Das Geld-Spiel ist eines der weniger wichtigen Spiele im Leben. Aber wenn ich das schon spiele, dann spiele ich schon optimal. Im Familien-Spiel, im Gesundheits-Spiel, im Bildungstitel-Spiel und im Job-Spiel läuft's eigentlich ganz gut. Deswegen habe ich vor ein paar Jahren mit dem Geld-Spiel angefangen, was ja auch ein interessantes Spiel ist. Wo ich wenig Interesse und auch Erfolg habe, ist das Staus-Spiel, da kann ich mich einfach nicht zu motivieren. Aber an Status habe ich erst ein paar Jahre bevor meine Kinder heiraten Bedarf und das ist noch ein paar Jahre hin. Wenn das Geld-Spiel gelöst ist, dann kann ich ja noch ein bisschen die Gesundheit optimieren.
Eine reine Optimierung auf Familienebene würde vermutlich weniger Allokation in Bitcoin rechtfertigen. Aber sich schiele noch ein bisschen auf die Möglichkeit ein bisschen Überschüsse für andere Menschen aus meinem Umfeld zu produzieren. Wohnraum für Familien ist in unserer Region etwas knapp. Mit mehr finanziellen Mitteln könnte man der ein oder anderen Familie helfen. Durch meine höhere Bitcoinallokation spiele ich nicht unbedingt mit unserem eigenen Haus aber mit den Häusern meiner Kinder. Wenn Bitcoin doch scheitert habe ich die Ersparnisse verloren und meine Kinder müssen sich ihr Haus überwiegend selbst verdienen. Wenn die Wette aufgeht, bekommt jedes Kind ein Haus und noch ein paar fremde Familien.
Am Ende liegt die optimale Allokation an der eigenen Nutzenfunktion. Hier muss ich nochmal mit dem weiter entwickelten Lindy-Kriterium nachrechnen.