Ok, so wird langsam ein Schuh draus ...
Nur noch eine Sache: Wenn ich es richtig verstehe, wird XT erst dann ein Forkcoin werden, wenn 75% der Miner zustimmen. Und die werden das voraussichtlich nur machen, wenn genügend Clients mit am Start sind. Zählt das nicht als Konsens?
Aus meiner Sicht nicht.
Wenn wir von aktuell ca. 10 relevanten Minern ausgehen, wären 75% 7-8 Miner/Menschen, die über Bitcoin bestimmen. Die Aufgabe der Miner ist allerdings lediglich, Transaktionen in Blöcke aufzunehmen und damit für die Bestätigung und Absicherung der Transaktionen zu sorgen. Genau dafür werden sie übrigens inzwischen mehr als ausreichend belohnt. Einen weitergehenden Führungsanspruch haben die Miner nicht. In der Anfangszeit, solange fast jeder Knoten auch Mining betrieben hat, konnte man eine Abstimmung der Miner mit einer Abstimmung der Nutzer gleichsetzen. Heute haben wir 10 Miner, ca. 6000 - 10000 Knotenbetreiber und eine unbekannte Anzahl an Nutzern. Von einem Konsens kann man dann sprechen, wenn alle drei Gruppen zu einem überwiegenden Teil (ich halte die 95% der Votes bei den aktuellen Soft-Forks für eine gute Zahl!) die Änderung aktzeptieren.
Da es keine Methode der Abstimmung aller drei Gruppen gibt, kann man Näherungsweise die öffentliche Diskussion als (weiche) Metrik betrachten. Änderungen die in der Diskussion fast ausschliesslich aktive(!) Zustimmung erfahren und keine fundierten Gegenstimmen auslösen, betrachte ich als konsensfähig. Änderungen an den Grundmechanismen (Geldmenge, Mitbestimmung, ...) eher nicht.
Wenn nun eine kleine Gruppe über die Miner eine kontroverse Änderung einführt ist es wichtig, dass sich die restlichen Beteiligten über ihre Macht bewusst sind und die Änderung nicht in einer falschen Opferhaltung (die Miner bestimmen sowieso alles) aktzeptieren. Die Miner haben empfindliche Verluste, wenn die Knotenbetreiber und die Nutzer eine Änderung zu einem guten Teil verweigern. Selbst wenn die Knotenbetreiber bei einer Änderung mitspielen, sollten die Nutzer Konsequent die entsprechenden Änderungen, die sie nicht mittragen können, zurückweisen. Ja, das ist schmerzhaft und kurzfristig in den Augen der öffentlichen Meinung auch schädlich. Es ist aber absolut notwendig um die Kontrolle des Systems nicht einer Minderheit zu übereignen und dem System damit langfristigen Schaden zuzufügen. In dem Augenblick indem die Nutzer vor einem vermeintlich mächtigen Anführer kapitulieren und sich unerwünschte, bzw. für sie schädliche, Änderungen aufdrücken lassen, sinkt der Wert des Systems und ein anderes System (Altcoin), dass es besser macht, gewinnt eine Existenzberechtigung.
Konsens bedeutet für dich also, wenn rund 95% der User und Miner zustimmen. Finde ich etwas hart, da unter diesen Umständen für ein schwieriges Thema wie die Blocksize kaum ein Konsens möglich ist. (Schwierig im Sinne von: technisch schwer zu verstehen & ideologisch durchwachsen). Ein politisches System würde sich mit einer solchen Klausel niemals fortbewegen, sondern ewig erstarren. Am Ende wäre aus einer Demokratie eine Bürokratur geworden.
Der Vergleich mit den Softforks finde ich problematisch - hier werden von einer kleinen Gruppe (den core devs) ohne vorhergegangene Diskussionen / Abstimmungen mit der Community Änderungen eingepflegt, die die User / Miner mit dem Update akzeptieren. Meistens sind diese Änderungen ohne weltanschaulichen Balast, verlangen ein hohes technisches Verständnis, um begriffen zu werden, und bieten wie ein Bug-Fix wenig Angriffsfläche.
Beim Blocksize-Thema ist das anders. Dies ist eine Änderung, die nicht wie ein Bugfix unproblematisch und notwendig ist, sondern eine Entscheidung abverlangt, was der Bitcoin für wen sein soll: ein freies Geld für alle (bzw. möglichst viele) - oder ein Settlement-Netzwerk und ein elitäres Geld für spezielle Anlässe. Weiter gibt es, anders als bei bugfixes, nicht DIE Lösung: es ist nicht ohne weiteres möglich, zu entscheiden, ob nun 2 oder 4 oder 8 MB oder kürzere Blockinterwalle die bessere Lösung ist. Unter diesen Umständen wird ein wie von dir skizzierter Konsens unmöglich bleiben.
Ich habe jetzt auch keine alternative Lösung parat. Die Schwelle runtersetzen? Zulassen, dass es zur Spaltung kommt, für die Innovation in Kauf nehmen, dass der Bitcoin sich in zwei oder drei Bitcoins teilt, massiv an Wert verliert und dann aber der Bitcoin ist, für den die User gestimmt haben?
Nährungswerte durch die öffentliche Diskussion finde ich ebenfalls schwierig. Einerseits weil in der öffentlichen Diskussion auch die Nicht-Nutzer mitmischen, andererseits, weil diese manipulierbar ist - sei es durch Gerüchte (die Blockstream-Verschwörung), persönliche Verleumdungen (wie es Mike H m. E. hinnehmen muss) und Zensur / Steuerung (wie etwa, dass unsere Diskussion hier im Altcoin-Bereich laufen muss und auf r/bitcoin gelöscht wäre). Andererseits weil man eine öffentliche Meinung aus den Diskussionen heraus nicht abschätzen kann (ginge es danach, würde Deutschland sofort seine Grenzen gegen Flüchtlingen schließen, Moscheen verbieten und WLANs wg. der Strahlung verbieten [kein Witz!]). Webdiskussionen verzerren immer das Meinungsbild, da die Unzufriedenen / Engagierten besonders viel posten, während die "schweigende Mehrheit" meistens still bleibt. Außerdem gibt's ja noch Sockenpuppen etc.
Du hältst Änderungen an den Grundmechanismen für ausgeschlossen? Warum? Wenn es darüber einen Konsens gibt, sollte das auch so sein. (Ich würde mich garantiert nicht darüber freuen, wenn plötzlich alle entscheiden, dass es 21 Milliarden anstatt 21 Millionen Bitcoins geben soll, aber -- Bitcoin ist, was die Leute daraus machen)
Beim letzten Absatz kann ich dir nur zustimmen: die Nutzer sollten sich ihr eigenes Bild machen und selbst entscheiden. Updates und die Wahl des Clienten ist die einzige demokratische Stimme, die ein Nutzer im Bitcoin-Universum hat (Was übrigens auch der einzige Punkt mit XT war, auf den ich hinauswollte).