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Topic: Deutsche Fehlerkultur - page 2. (Read 724 times)

qwk
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June 16, 2022, 02:33:11 AM
#1
Ist die Deutsche Fehlerkultur so schlecht wie ihr Ruf?

Eine von thandie genannte Studie stuft Deutschland auf Platz 60 von 61 Ländern ein (allerdings kann ich die Studie nicht im Original finden).
Angeblich bezieht sie sich allerdings auf die unternehmerische Fehlerkultur.

Zumindest nach meinem Dafürhalten käut sie damit die Mär von den starren Hierarchien in Deutschland und der angeblich besseren Fehlerkultur in den USA wieder.
Beides Thesen, die nach meinem Augenschein nicht haltbar sind.
Weder sind die Hierarchien (heute) in der Masse der Deutschen Unternehmen besonders starr, noch ist das in den USA angeblich salonfähige Scheitern tatsächlich objektiv belegbar, auch in den USA scheitern die meisten Unternehmer einmal, und sind dann am Ende.
Wideraufstehmännchen finden sich auf beiden Seiten des Atlantiks.

Soweit ich das erkennen kann, wird wohl eher die Startup-Kultur in den USA mit der Großindustrie Deutschlands verglichen, und somit Äpfel mit Birnen.

Discuss! Grin


Es gibt ja, und das sieht man auch hier im Faden an einigen Beispielen, in Deutschland eine mangelnde bis sehr schlechte Fehlerkultur. Rechthaben über alles. Fängt bei den Politikern an und färbt nach unten ab. Bei dieser Fehlerkultur ist natürlich auch der Lerneffekt = 0. Demzufolge sind die Argumente schnell verschossen und dann wird das Rechthaben eben mit beleidigen und diffamieren unterstützt.
Zur Fehlerkultur sollte man vielleicht mal eine Studie erheben.

Zur Fehlerkultur gab es aber tatsächlich mal eine Studie.
Demnach landete Deutschland auf Platz 60 von 61 untersuchten Staaten. Nur in Singapur war man noch merkwürdiger.
Habe den Link nicht zur Hand, suche im Netz einfach mal nach Michael Frese.

Da war ich neugierig, aber leider konnte ich die Originalquelle nicht finden.
Meist scheint man sich auf diesen Artikel in der Zeit von 2013 zu berufen:
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/04/kunst-scheitern-fehler-machen/komplettansicht
Die Zeit gibt selbst Quellen an, allerdings fehlt eine direkte Quellenangabe zu besagter Studie:
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/04/kunst-scheitern-fehler-machen-quellen
Man kann allenfalls mutmaßen, dass die Studie ihrerseits in einer der Quellen Verwendung findet.

Wenn also heute jemand diese Angabe "Platz 60 von 61" macht, bezieht er sich damit häufig auf die Tertiärquelle "Zeit", welche sich auf die Sekundärquelle "Michele J. Gelfand, Michael Frese, Elizabeth Salmon: Cultural Influences on Errors: Prevention, Detection, and Management; in: David. Hofmann & Michael Frese: Errors in Organisations. SIOP Organizational Frontiers Series" bezieht, welche sich ihrerseits möglicherweise auf die Primärquelle "Studie von Frese" beziehen könnte.
Und dann ist schon die Tertiärquelle aus dem Jahr 2013, damit dürfte die Primärquelle mindestens zehn Jahre alt sein.


Das soll nun nicht heißen, dass die Fehlerkultur in Deutschland toll wäre, oder dass ich der These von der schlechten Deutschen Fehlerkultur widersprechen würde.
Im Gegenteil, wenn heute noch von augenscheinlich einer nicht ganz unerheblichen Anzahl an Deutschen die zigtausendfach widerlegten Schein- und Falschargumente der selbsternannten Impfskeptiker und Corona-Leugner wiedergekäut werden, halte ich die Fehlerkultur zumindest dieser Deutschen ebenfalls für fragwürdig.

Andererseits will ich auch eine Lanze brechen für die Fehlerkultur der Deutschen, und der These der besagten Studie einfach mal teilweise widersprechen mit dem Verweis auf die Erinnerungskultur der Deutschen in Bezug auf das sog. Dritte Reich.
Wenige "Völker" sind so sehr ihrer eigenen historischen Fehler gewahr wie die Deutschen, behaupte ich hier einfach mal.
Das ist Fehlerkultur. Gute, ja, in gewisser Weise herausragende Fehlerkultur.
Und wenn ein Björn / Bernd Höcke diese Fehlerkultur in Form eines sog. "Denkmals der Schande" verunglimpft, ist das nur die Bestätigung, dass zumindest die Nicht-AfD-ler in Deutschland eine erheblich bessere Fehlerkultur haben als so ein rechtsbraun versiffter Haider-Verschnitt.

Und auch unsere ostdeutschen Landsleute zeigen ein gerüttelt Maß an guter Fehlerkultur, indem sie die DDR nicht unnötig romantisieren, so sehr sie auch teils Verlierer der Wiedervereinigung waren.

In diesem Sinne, auch wenn's ein (beinahe) vollständiger Abdrift ins offtopic war: so schlecht ist die Fehlerkultur aller Deutschen wohl nicht.
Die schlechte Fehlerkultur scheint sich in Deutschland allenfalls weit rechtsaußen zu manifestieren.

Nein. Natürlich nicht aller Deutschen. Mit uns beiden wäre DE sicher auf Platz 58 gelandet.
Aber darum ging es in der Studie auch nicht. Ebensowenig um die Erinnerungskultur zum Dritten Reich oder den Wütereien im Dreißigjährigen Krieg.
Vielmehr bezog sich die Studie zum Teil auf die Fähigkeiten im Umgang mit Fehlern diverser Branchen wie bsw. den Halbgöttern in Weiß oder auch bei politischen Akteuren in der heutigen Zeit des Leistungsdrucks und der Globalisierung. Es ging bsw. darum, wie Hierarchien und Machtstrukturen eine gute Fehlerkultur behindern, wie unterschiedlich Leute bei Hinweisen auf Fehlern reagieren und warum, welchen Einfluß eine gute Kommunikation auf eine bestimmte Fehlerkultur hat, wie überhaupt Fehler in den Branchen in den unterschiedlichsten Ländern aufgefasst werden... also als totales Scheitern, als irgendwie normal oder als Chance et cetera.

Die schlechte Fehlerkultur scheint sich in Deutschland allenfalls weit rechtsaußen zu manifestieren.

Das würde ich bestreiten bzw. scheint es nur deine subjektive Wahrnehmung zu sein. Wenn man sich auf die Themen der deutsche Vergangenheit bzw. deren Bewältigung bezieht, mag das so sein. Aber das ist nur ein Thema und für die allermeisten Leute heute nicht das entscheidende, daß den Tagesablauf bestimmt. Themenübergreifend sind die Akteure und Getreuen anderer politischer Richtungen auch nicht besser. Da kann man ja alle derzeit aktuellen Themen hernehmen, es wird auch in der Mitte oder bei den Verwirrten ganz Links nicht besser. Vielleicht sieht das beim Tête-à-Tête im Borchardt's oder beim Stelldichein im der StäV anders aus, aber da sind wir ja auch nicht dabei.
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