Bei dir hingegen fließt jeder Euro in die Zukunft. Implizit machst du also die Annahme, dass es in der Gegenwart nur zwei Arten von Waren und Dienstleistungen gibt: die, die deinem umittelbaren Überleben dienen und die, die völlig wertlos sind. Dazwischen gibt es gar nichts. Ansonsten würdest du zwangsläufig Dinge in der Gegenwart finden, in die ein Teil deines neu dazugewonnen Geldes fließen würde.
Ich glaube du hast meine Nutzenfunktion sehr treffend beschrieben. Gutes Essen uns zufriedenstellendes Wohnen ist mir super wichtig. Der Rest ist mir eher weniger wichtig. Das meiste kann man sich sowieso nicht kaufen (Familie, Freunde, Gesundheit).
Ganz anders würde es beispielsweise bei einem Selbstständigen aussehen, der gerade sehr erfolgreich ist, aber darauf keineswegs langfristig zählen kann. Wenn er sofort seinen Lebensstandard maximal erhöht, beraubt er sich nicht nur eines emotional wichtigen Sicherheitsbuffers, er gibt auch ständig Euros sehr ineffizient für teilweise exzessiven Luxus aus, der ihm kaum Nutzen bringt. Wenn die beruflich gute Phase mal enden sollte, wären diese gesparten Euros aber auf einmal wieder sehr viel Wert, weil sie a) aktuell sehr schwierig zu beschaffen sind und b) bei nun wieder niedrigem Lebensstandard jeder zusätzliche Euro viel mehr Nutzen entfaltet. Im Übrigen ist ein starkes Senken des eigenen Lebensstandards natürlich auch eine emotionale Belastung, die über die rein rationale Nutzen pro Euro Kalkulation hinausgeht und meistens auch noch mit Zusatzkosten durch Umziehen oder Verkaufen von Luxusgegenständen zu suboptimalen Preisen einhergeht.
Ich bin noch recht weit unten auf der Maslow-Pyramide angesiedelt. Zudem sehe ich leichte Zukunfsrisiken. Der deutsche Wohlstand kommt teilweise, weil wir Energie durch Maschinen drücken. Die deutsche Energieproduktion und die deutsche Industrieproduktion sinken. Die Energiewende reduziert Energy Return on Energy Invested. Der deutsche Wohlstand kommt teilweise aus guten Terms of Trade (Schuhe kann jeder produzieren, Autos und Maschinen nur wenige also hatten wir eine gute Verhandlungsposition). China arbeitet sich die Wertschöpfungskette hoch.
Wahrscheinlich bin ich zu vorsichtig. In diesem Fall habe ich am Ende noch zu viel Geld übrig, was ich dann an Kinder und Freunde verteilen kann / muss. Aber durch diese Vorsicht kann ich den ein oder anderen finanziellen Einschlag verkraften. Das gibt mir Sicherheit.
Manche Doppelverdiener mit hohen Fixkosten (finanziertes Einfamilienhaus in München), bekommen bei Verdienstausfall eines der beiden Ehepartner Stress. Das kann aus Jobwechsel, Krankheit oder Kinder resultieren. Ich habe solche Menschen auf der Arbeit erlebt, die laufen von einer existenzbedrohenden Krise in die Nächste.
Die Funktion besprochenen Funktionen von Geld würde ich für mich so priorisieren:
(i) Grundbedürfnisse
(ii) Sicherheitsbedürfnis
(iii) Zeit sparen produktiver verwenden: Nach Grundbedürfnissen würde ich mir als nächstes Zeit kaufen. Ich bin hier schon irrational sparsam. Ich mache lieber selbst 20 Stunden Video Editierung als 200€ zu bezahlen. Meine Frau würde sogar 2 Stunden ausgeben um 1€ zu sparen.
(iv) Status von unterdurchschnittlich auf durchschnittlich erhöhen: Als nächstes - so in 5-10 Jahren - sollte ich unsren Status (Wohnungseinrichtung, Kleidung) von unterdurchschnittlich auf durchschnittlich steigern. Ich habe da eigentlich keine Lust zu, weil das kostet mir Zeit. Aber wenn die Kinder älter werden konnte es für sie mit sozialen Nachteilen verbunden sein, wenn wir unterdurchschnittlichen Status signalisieren.
(v) moderate Freizeit, längere Essenspausen, längere Gespräche mit den Kindern
(vi) gesellschaftlicher Nutzen
(vii) durchschnittliche Freizeit, mehr Ausfüge, Urlaube
(viii) Spaß-Nutzen
Ich habe eigentlich ein total cooles Leben. Ich habe eine gute Familie, ein gutes persönliches Umfeld, ein Haus, gute Kollegen, guten Chef, in Teilen einen interessanten Beruf. Ich lebe in Zeiten, die so einfach sind, dass man nicht Leidet. Gleichzeitig lebe ich in Zeiten, die so stark im Umbruch sind, dass das Leben spannend bleibt und man sich nicht gehen lässt. Wie ein Computerspiel auf der optimalen Schwierigkeitsstufe. Und das alles, obwohl ich Spaß nicht anstrebe.
Ich glaube aber, dass Spaß anzustreben eine ineffiziente Heuristik ist, solange die technologischen Zyklen kürzer sind als die evolutionären Zyklen. Bei langfristig stabilen Umweltbedingungen ist Spaß durchaus eine sehr gute Heuristik. Alle Lebewesen, die an den falschen Dingen Spaß haben, sterben im Laufe der Generationen aus. Aber die Menschen haben ihre Umweltbedingungen in den letzten Jahrtausenden einfach zu stark verändert.