Es tut mir für alle leid, deren Konto fälschlicherweise gesperrt wurde. Ich kann mir gut vorstellen, was das für ein Mist ist und wie weit das in das persönliche Leben eingreift. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man vor Wut platzen möchte, wenn man obendrein keinerlei Infos bekommt.
Man muss aber auch ein paar Punkte pro Fidor berücksichtigen:
- Beschwerden hier im Forum sind oft nur eine Seite der Wahrheit. Es kam schon oft genug vor, dass Betrüger, die aufgeflogen sind, das Forum genutzt haben, um sich öffentlichkeitswirksam zu rächen.
- Sobald der Verdacht auf Geldwäsche in irgendeiner Form besteht, darf kein Mitarbeiter der Bank mit einem Verdächtigen reden. Er haftet dafür sogar persönlich. Das könnte die von vielen als besonders schlimm empfundene Kommuikationssperre erklären. Sowohl fidor als auch bitcoin.de haben daher ein kommunikatives handicap, weil sie nicht alles sagen dürfen, was sie wissen
- Der Bitcoin ist weiterhin ein sensibles Thema, vor allem wegen Geldwäsche. Die Fidor-Bank hat sich hier sehr weit vorgewagt und ich wage mal zu behaupten, dass die Bitcoin-Aktivitäten von Fidor den Kontakt mit der Aufsicht nicht unbedingt einfacher gemacht haben. Darum würde ich - wenn ich Fidor wäre - gerade in diesem Bereich besonders darauf achten, alle Regeln zu beachten, und im Zweifel halt eher ein Konto zuviel als zuwenig sperren.
Ich kann nicht sagen was genau hier vorliegt, da ich selbst nicht bei Fidor bin, aber teilweise sperren Online-Zahlungsdienste praktisch lebenslänglich (zumindest gehe ich davon aus) auch bei unwissentlichen Übertretungen der Geschäftsbedingungen (in meinem Fall war es PayPal) und kommen dem Kunden überhaupt nicht entgegen. Natürlich sind die Risiken digitaler Zahlungen zum Teil schwer abschätzbar, doch ich finde dieses Verhalten mies.
Das Kommunikationsverbot war mir neu und erklärt einiges.
Dem ganzen Problem liegt eine starke Asymmetrie durch die Regulierungsbehörden (FATF-->FIU/BaFin-->Finanzinstitute) zu Grunde. Ein zu viel gesperrtes Konto kostet den abdiskontierten Barwert des Kunden für die Bank bzw. den Zahlungsdienstleister. Ein zu wenig gesperrter User ist ein Super-Gau.
Die Regulierungsbehörden stehen dem Problem der Geldwäsche ohnmächtig gegenüber und müssen der Bevölkerung zeigen, dass sie aktiv sind. Da es auf Seiten der Exekutive an Ressourcen mangelt und die Gelder für eine Aufstockung nicht vorhanden sind, externalisiert man die Aufsicht auf die Finanzinstitute. Das geht mit drei großen Nachteilen einher:
(1) die horrenden Kosten, die Banken für AML KYC tragen müssen, schlagen sie notwendigerweise auf die Preise ihrer Dienstleistungen auf
(2) die hier besprochene Sperrung "falsch Positiver", um Risiken zu vermeiden
(3) der Effekt der Geldwäschebekämpfung ist sehr gering.
Kurz zur Erläuterung von Punkt (3): die Bankkunden, die über das System Gelder waschen sind allesamt kleine Fische. Die großen Fische -- gerne auch die Banken selbst, siehe HSBC -- bleiben unerkannt. So kommt es auch, dass von den geschätzten jährlichen weltweiten Geldwäschevolumen von 3 Billionen $ (UN-Schätzung) lediglich 0,1%-2% (je nach Schätzung) abgefangen werden.
Die derzeitigen Maßnahmen sind also vornehmlich Augenwischerei, um die Bevölkerung zufrieden zu stellen. Der Preis sind enorme Kosten für die Allgemeinheit. Wollte man tatsächlich gegen Geldwäsche vorgehen, dann müsste man lediglich die Verdunkelungsoasen aka Steueroasen schließen. Ein Handstreich der englischen Queen würde ausreichen, um die Schließung von einem guten Drittel dieser Krebsgeschwüre der modernen Gesellschaft herbeizuführen.
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Cliffnotes:
Fidor verhält sich nur entsprechend der Anreize, die von dem Regulierungssystem ausgehen. Der Leidtrangende ist der unbedachte Kunde.