http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/bitcoins-kein-staat--keine--bank---kein-problem,10808230,22673616.html
Und Nummer 2 aus der Berliner Zeitung:
Graefekiez - Zahlen im virtuellen Raum
Der Artikel ist inhaltlich der schlechteste, den wir hier in Berlin bislang in die Medien bekommen haben. Mea culpa, ich habe das Interview gegeben.
Ich behaupte mal, dass ein Neuling, der den liest um etwas über Bitcoin zu lernen, nach der Lektüre erstmal gar nichts mehr versteht: Bitcoins werden durch eine Lotterie verlost und müssen dann von Webseite zu Webseite geschickt werden, wofür es verschiedene Anbieter gibt. Ja klar!
Wie wenn ein Autor vor etwa über 100 Jahren über diese neue Automobil-Technologie schreibt und darüber fabuliert, welche Pferderassen sich am besten eignen, um sie vor ein solches Automobil zu spannen und ob die neuen Gummireifen in der Pferdescheisse nicht leichter durchdrehen als die herkömmlichen eisenbeschlagenen Hölzräder.
Die beiden Journalisten von der Berliner Zeitung waren komplett ahnungslos, allein was grundlegendes technisches Basiswissen betrifft, welches ein Redakteur, der zu einem solchen Thema schreiben soll, zwingend haben müsste.
"Peer to peer? Open source? Was bedeutet das? Nichts im Internet kann ohne Server funktionieren, das weiss ich genau!". Ich hab tatsächlich gegen Ende des Gespräches vermutet, dass jetzt dann nochmal sowas kommt wie "Herr Platzer, diese Computer von denen Sie immer reden, was sind die genau?"
Zur fehlenden technischen Kompetenz für dieses Thema kommt dann leider ein meiner Meinung nach schlechter - wenn auch weit verbreiteter - journalistischer Stil: kein Aufnahmegerät dabei haben und sich deshalb Notizen machen und dann aus diesen Notizen und dem Gedächtnis wieder Zusammenhänge oder sogar Zitate extrapolieren.
Merke an dieser Stelle: Journalisten, die ein Aufnahmegerät benutzen, neigen nicht dazu, Dich falsch zu zitieren, erstens ist das Verfahren weniger fehleranfällig als Bleistiftnotizen und zweitens ist Gesprochenes halt nunmal dokumentiert. Wer Notizen macht, sollte sich Zitate in seinem Artikel unbedingt bestätigen lassen, darauf sollte man als Quelle bestehen.
Aber so, wie der Artikel nun rausgekommen ist, ist offensichtlich, dass er nicht irgendeiner Wissensvermittlung dienen, sondern den Bitcoin in ein bestimmtes ideologisches Licht rücken sollte. Auf inhaltlich-fachliche Kompetenz und Richtigkeit wird vollkommen verzichtet, der Teil liest sich Stellenweise so als ob man einfach irgendwie die Spalten füllen wollte mit irgendwelchen Sätzen, die irgendwie technisch klingen. Die Leser der Berliner Zeitung über eine neue Technologie zu informieren war also nichtmal ein Teilgrund für den Artikel.
Auf der anderen Seite hält die Autorin es tatsächlich für themenrelevant, was sie _denkt_, das der Interviewte gleich sagen könnte ("und weil man befürchtet, dass es gleich auch noch um das befreite Kreuzberg gehen könnte ...").
Wow, deswegen lese ich doch Zeitung, um zu erfahren, was die Journalisten denken, was jemand sagen könnte .
Diese hier legt mir nicht nur Gedanken in den Kopf sondern auch Worte in den Mund. Abgesehen von den falsch zitierten und inhaltlich vollkommen falschen technischen Aussagen weiss ich zum Beispiel, dass ich zu keiner Zeit sowas wie "unzensiertes Leben" erwähnt habe. Kommt in meinem Wortschatz gar nicht vor, passt aber zu gut zu dem, was sie denkt, das ich bald sagen würde.
Am besten wird die ideologische Ausrichtung an der Überschrift deutlich. "Kein Staat, ... kein Problem": wer hat das gesagt? In dem Artikel selbst wird auf die Überschrift nichtmal Bezug genommen, auch nur irgendwie erklärt, wieso die da jetzt drüber steht oder warum das jetzt den Bitcoin erklärt.
Steht da halt einfach so .
However, ob die Fokussierung auf eine ideologische Einfärbung beabsichtigt war oder ob diese nur der eigenen ideologischen Bubble und journalistischen Unfähigkeit der Redakteure zu schulden ist, wissen nur die selbst, wenn überhaupt.
Aber ein wirklich ausgesprochen schlechtes Stück Pressearbeit ist es allemal.
Joe