Es kommt im Kursverlauf-Thread immer wieder die Diskussion auf, ob Proof of Work die einzige Möglichkeit für Bitcoin und andere Kryptowährungen wäre, dezentral als Grundlage einer Blockchain zu dienen. Proof of Work ist ja sehr energieintensiv. Vielleicht könnte Bitcoin in der Zukunft zu einer energiesparenderen Alternative wechseln?
Als Alternative wird von einigen Proof of Stake "gehandelt". Daneben gibt es kleinere Alternativen wie Proof of Burn und Proof of Importance (beide grundsätzlich Proof-of-Stake-ähnlich), Proof of Capacity (Proof-of-Work-ähnlich) sowie BFT-basierte Verfahren (DPOS, Tendermint), die zwar in Richtung Proof of Stake gehen, aber sich von traditionellem PoS doch deutlich unterscheiden.
Ich fasse die Argumente der PoS-Befürworter und PoS-Gegner einmal zusammen:
Für Proof of Stake und ähnliche Verfahren spricht:- Es wird nur minimal mehr Energie benötigt, als der Betrieb der Wallet-Software verbraucht. Dies würde eines der größten Probleme von Bitcoin lösen.
- "Die Wirtschaft", also Nodes und Gruppen von Nodes mit großen Guthaben (dies können auch mehrere Kleinhalter zusammen sein, die eine bestimmte Position vertreten), hat im Machtpoker am meisten Einfluss. Nach Meinung Einiger sollte diese auch den Kurs der Entwicklung bestimmen und nicht von einer "externen" Gruppe wie den Minern behindert werden können (wie es lange Zeit bei der Segwit-Frage der Fall war)
- Zum Angreifen wird grundsätzlich ein größeres Guthaben benötigt; der Angreifer schadet sich also in gewisser Weise selbst (wenn der Preis danach abrutscht)
Gegen Proof of Stake spricht:- Was einige als Vorteil ("die Wirtschaft" hat mehr Macht) sehen, sehen andere als Nachteil: Bei Proof of Stake werden tendenziell "die Reichen" mächtiger und (ohne wirkliche Gegenleistung) auch reicher.
- Um bei einer PoS-Währung "einzusteigen", benötigt man immer Coins. Es geht nicht, einfach wie beim Mining einen Rechner arbeiten zu lassen. Dies führe laut Gegnern zu einem "elitären Club" - die Halter könnten kontrollieren, wen sie in das System einsteigen lassen und wen nicht.
- Bei Proof of Stake wird zur Bestimmung der "besten Chain" auf Daten aus der Blockchain selbst zurückgegriffen. Es ist also nicht ohne weiteres möglich, die "echte" von einer "gefakten" Chain zu unterscheiden ("
Nothing-at-Stake-Problem"). Damit handelt es sich aus Sicht der Informatik bei PoS nicht um einen eindeutigen Konsens-Mechanismus. Dies ist das Hauptargument gegen Proof of Stake. Es werden verschiedene Angriffs-Szenarien diskutiert, besonders der Bribing Attack (ein Angreifer besticht Nodes, die in der Vergangenheit viele Coins hatten, sich unehrlich zu verhalten). Auch werden Angriffe diskutiert, bei denen es sich für die Nodes lohnt, auf mehreren Forks gleichzeitig zu minten.
Das Nothing-At-Stake-Problem wird von PoS-Befürwörtern mit folgenden
Gegenargumenten gekontert:
- eine komplett gefakte Chain ist wegen der Verkettung der Blockchain bis zum Genesis Block klar als solche identifizierbar. Ein Angreifer benötigt immer "Stake", also einen erheblichen Anteil der Coin Supply. (Es reicht allerdings, wenn die Keys des Angreifers irgendwann in der Vergangenheit Kontrolle über diesen "erheblichen Anteil" hatten.)
-
Weak Subjectivity - im Falle von Uneindeutigkeiten können vertrauenswürdige Community-Mitglieder (z.B. eine "offizielle Website", oder große Nodes, etwa von Exchanges) befragt werden, welche Chain die beste ist, und damit einen Angriff extrem unpraktikabel machen.
- Potenziell gefährlichere Angriffe mit längeren gefakten Chains (Long-Range-Attacks) kann einfach entgegengewirkt werden, indem die Nodes nur bis zu einer bestimmten Tiefe ihre Blockchain "neu organisieren" dürfen ("Reorg-Limit", "Checkpoints").
Weak Subjectivity wird wiederum von PoS-Gegnern als zu unsicher bezeichnet, da z.B. Social-Engineering-Angriffe denkbar sind.
Ich mache diesen Thread auf, um die Diskussionen zum Thema zu bündeln. Grundsätzlich sollte es nicht darum gehen, irgendwelche Altcoins zu pushen, sondern das Potenzial auch für Bitcoin auszuloten - deshalb in diesem Unterforum. Altcoins dürfen nur als Beispiele für einzelne Varianten von PoS hergeholt werden.
(Sollte das Thema trotzdem ins Altcoinforum müssen, würde ich mich dem - zähneknirschend - fügen .)Literatur:Generell:
-
Proof of Stake beim Bitcoinwiki (zeigt die ersten Schritte hin zu PoS, ist eher PoS-freundlich)
-
PoS-FAQ bei Ethereum (PoS-freundlich)
Zur Relevanz (oder nicht) des Energieproblems:
- Paul Sztorc:
Nothing is Cheaper than Proof of Work (PoS-kritisch)
Zum Nothing-At-Stake-Problem:
- Andrew Poelstra:
On Stake and Consensus (PoS-kritisch)
- Vitalik Buterin:
Proof of Stake: How I learned to Love Weak Subjectivity (PoS-freundlich)
- Vlad Zamfir:
The History of Casper (PoS-freundlich, stellt aber auch mehrere potenzielle Schwächen einfacherer PoS-Algorithmen dar)