Beim Neubau ist ne Wärmepumpe sicherlich ne gute Entscheidung, da sind wir uns vermutlich alle einig. Trotzdem lohnt auch hier der Blick WAS für eine Wärmepumpe es denn werden soll.
Und noch eine Bemerkung vorab, ich bin absolut Pro Energie-/Wärmewende, aber ich bin auch dafür, dass die begrenzten Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden, was für mich bedeutet, dass man eine gewisse Reihenfolge einhalten sollte.
Was ist für dich eine hohe VL und was ein dramatischer COP-Einbruch?
Unabhängig davon ist deine Aussage zu pauschal. Die VL ist ja nicht ausschließlich abhängig vom genutzten Heizkörper, sondern primär abhängig vom Energie/Wärmebedarf des Hauses sowie weiteren Parametern wie z.B. Dämmung der Heizungsrohre im nicht beheizten Keller.
Zu deiner Frage: thermodynamisch betrachtet ist Elektrizität die höchste Energieform, weil Sie in jede andere Energieform gewandelt werden kann. Wärme dagegen ist eher das "Abfallprodukt" unter den Energieformen, das sollte man immer im Hinterkopf behalten.
Um einen sinnvollen COP abschätzen zu können, kann man sich umgekehrt einfach anschauen wie hoch der Wirkungsgrad von Wärmekraftwerken ist. Laut
https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4rmekraftwerk#Wirkungsgrad liegen die Wirkungsgrade bei 30-45%, d.h. um 1kWh Strom zu erzeugen benötigt man 2,22-3,33 kWh Wärme. Man kann den Gesamtwirkungsgrad zwar noch durch Kraft-Wärme-Kopplung erheblich steigern, aber dann sind wir schon bei Wärmenetzen und nicht mehr bei Stromerzeugung, deshalb bleibe ich mal bei 30-45%. Eine Wärmepumpe mit COP < 2,22-3,33 zu betreiben wäre in meinen Augen daher physikalisch schwachsinnig.
Will man sich anschauen ab wann es ökonomisch sinnvoll wird, kann man sich ja mal die Marktpreise für Strom und Wärme anschauen: Strompreis ist aktuell bei 40cent/kWh gedeckelt, Gas bei 12 cent und Fernwärme bei 9,5 cent, d.h. da ist grob nen Faktor 4 dazwischen.
Wenn ich nicht zu 100% mindestens auf COP>3 komme würde ich die Finger von einer Wärmepumpe lassen, wirklich sinnvoll wird es ab COP>4, das ist meine Meinung.
Das bedeutet umgerechnet, dass die Temperaturdifferenz zwischen Wärmequelle und Vorlauftemperatur maximal ΔT=60°C betragen dürfte, wirklich effizient würde es bei ΔT<40°C werden. Ich glaube langsam ist erkennbar wo die Reise hingeht.
Ich übersetze das mal: komme ich gerade so auf ΔT=60°C, dann habe ich im laufenden Betrieb noch nix gespart. Ich wette vielmehr, dass zukünftig die Wärmepreise stärker steigen als die Stromkosten und sich darüber die getätigte Mehrinvestition rechnet.
Um hier mal pauschal zu bleiben:
- bei Altbauten mit hohen Vorlauftemperaturen >70°C dürften Wärmepumpen grundsätzlich unwirtschaftlich sein.
- bei durchschnittlichen Bestandsbauten mit Konvektoren und Vorlauftemperaturen von 55-70°C dürften zumindest Luft-Wasser-Wärmepumpen unwirtschaftlich sein
- bei Neubauten mit Fußbodenheizung und Vorlauftemperaturen ~40-45°C siehts für alle Typen gut aus
Bei dieser Betrachtung sind allerdings Opportunitätskosten noch nicht mit eingerechnet. Die Zusatzkosten die ich für die Wärmepumpe (z.B. im Vergleich zur Gasheizung) ausgebe kann ich nicht in andere Maßnahmen investieren, die mehr bringen würden.
Klassiker ist Solarthermie, kostet fast nix und deckt den "einfachen" Bedarf im Sommer ab, nach dem Pareto-Prinzip sollte man das also vorher machen. Genau das gleiche bei energetischer Sanierung, wenn Nebenkosten gar nicht entstehen ist das allemal besser als nur zu hoffen, dass sie weniger stark steigen. Kellerdeckendämmung ist da auch so ein Klassiker der viel bringt und wenig kostet.
Ja, man kann auch energetisch schnlechtere Bestandsbauten ohne Fußbodenheizung mit Wärmepumpe heizen. Und ja wenn die Heizung kaputt ist, das Gebäude aber noch nicht energetisch saniert wurde kann ich auch trotzdem schon eine Wärmepumpe einbauen. Nur sollte das der Ausnahmefall sein, denn wenn die Investition in die Wärmepumpe dazu führt, dass man sich Investitionen in energetische Sanierung nicht mehr leisten kann, dann kann das auch schnell zur Schuldenfalle werden.
Und weil das alles im wesentlichen auf Wirtschaftlichkeit abzielt und Klimaschutzaspekte außen vor bleiben noch ein Kommentar dazu: bei einem gesellschaftlichen Problem dieser Größenordnung MUSS die Politik die Rahmenbedingungen so verändern, dass sich sozialverträgliches Verhalten lohnt und man nicht drauf zahlt, anders wir das nix und schon gar nicht in der Zeit die uns bis zu den Kipppunkten noch bleibt.
Edit: hier noch ein passender link zum Thema Vorlauftemperaturen:
https://www.vaillant.de/heizung/heizung-verstehen/tipps-rund-um-ihre-heizung/vorlauf-rucklauftemperatur/