wurde das hier schon verlinkt?
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sorry, hab ich übersehen.
Münzentwertung im 15. Jahrhundert
Die erste große Währungskrise und ihre Folgen
Um 1460 ließen Kaiser und Herzöge minderwertige Münzen unters Volk bringen. So zerstörten sie das Vertrauen der Menschen in die Geldwirtschaft.
Von Winfried Dolderer
Es war die blanke, hilflose Wut eines Bürgers und Kaufmanns, die Burkhard Zink in Worte fasste. "Allmächtiger Gott", klagte der Augsburger Stadtchronist des 15. Jahrhunderts, "wie gar gütig bist du, dass du so viel Ungerechtigkeit und Bosheit und Schalkheit übersiehst. Dass einer den andern betrügt und verdirbt und um das Seine bringt, wie hier mit den bösen Münzen geschehen ist. Da ist mancher Mann verdorben und der andere reich geworden."
Zink sah nur Gottes Allmacht am Werk. Die Währungskatastrophe, von der er sprach, hatte allerdings sehr handfeste Ursachen.
Die Jahre um 1460 waren eine Zeit politischer Instabilität. Kaiser Friedrich III. regierte zwar als nominelles Oberhaupt das Heilige Römische Reich, doch er war umringt von Feinden, sogar aus der eigenen Familie. Selbst seinen überschaubaren Länderbesitz im heutigen Österreich, dem südlichen Baden-Württemberg und im Elsass machte ihm sein jüngerer Bruder Erzherzog Albrecht VI. streitig.
Der war zeitlebens darauf erpicht, sich als Landesherr an Friedrichs Stelle zu setzen. In dessen Namen durfte Albrecht zwar seit 1444 die habsburgischen Besitzungen im deutsche Südwesten regieren, später auch das Erzherzogtum Österreich "ob der Enns", das heutige Oberösterreich mit Hauptstadt Linz. Zufriedengeben mochte Albrecht sich damit aber nicht. Weitere Reichsfürsten, die sich Friedrichs Herrschaft widersetzten, unterstützten ihn.
Sie hatten sich in einer Allianz unter Führung des Heidelberger Pfalzgrafen Friedrich des Siegreichen organisiert, der auch dessen wittelsbachische Verwandten in Bayern angehörten. Auf der Gegenseite stand der kaisertreue "Mergentheimer Bund" mit dem Markgrafen von Brandenburg Albrecht Achilles an der Spitze. Krieg lag in der Luft. Söldner wurden angeworben und mussten bezahlt werden. Nur, wovon?
Um sich aus der Finanzklemme zu helfen, verfielen beide Streitparteien auf die Idee, sich am gemeinsamen Tafelsilber zu vergreifen, dem Wiener Pfennig, der sich als Zahlungsmittel jahrzehntelang über Österreichs Grenzen hinaus eines erstklassigen Rufs erfreut hatte. So begehrt waren die Silbermünzen von der Donau, dass sie seit 1395 auch in Bayern im Umlauf waren.
"Der gemeine Mann nennt diese neue Münze aus Widerwillen nur Schinderling"
Chronist aus dem 18. Jahrhundert
Natürlich blieb auch dieses Geld den Zwängen des Finanzmarkts unterworfen. Die meisten Münzherren des Mittelalters mussten ihr Silber importieren. War der Beschaffungspreis so hoch wie die Prägekosten oder übertraf diese sogar, blieb nur eine Lösung: etwas geringerwertiges Metall beizumischen. Dieser Wertverlust zog sich jedoch normalerweise über Jahrzehnte hin. Im Alltag war er kaum zu spüren. Nun aber wurden die Märkte plötzlich überschwemmt mit Münzen, die nur noch Spuren des Edelmetalls enthielten und von Tag zu Tag an Kaufkraft einbüßten – für viele Zeitgenossen eine Katastrophe.
Wer war schuld? In einer Darstellung aus dem 18. Jahrhundert, die sich auf das wenige Jahrzehnte nach der Währungskrise entstandene Geschichtswerk des bayerischen Humanisten Johannes Aventinus stützte, wurde die Hauptverantwortung dem Kaiser zugeschoben, der in seiner Geldnot das Münzrecht an private Unternehmer verpachtet und diesen freie Hand gelassen hatte.
Friedrichs neue Pfennige, so der Chronist des 18. Jahrhunderts, seien "um den siebenten Teil schlechter" gewesen als die alten: "In Bayern folgte ihm bald darauf der Erzbischof zu Salzburg und der Bischof zu Passau ... Wollten nun die anderen Fürsten und Herren in der Nachbarschaft an ihrer Landmünze keinen allzu merklichen Verlust und Schaden leiden, so mussten sie freilich auch dieselbe geringer machen lassen. Darum entschloss sich endlich auch Herzog Ludwig zu Landshut ebenfalls, statt der schwarzen Münzen weiße zu prägen. Doch ließ er sie nur um den fünften Teil schlechter machen ... dass also sechs neue Pfennige ... nicht mehr waren als ein alter. Der gemeine Mann nennt diese neue Münze aus Widerwillen nur Schinderling."
Eine Ingolstädter Rechnung aus dem Jahr 1460 dokumentiert das Verfahren. Demnach erhielten die beiden Münzmeister der Stadt 600 Pfund Silber in Form von 144.000 Pfennigen mit dem Auftrag, daraus rund 735.000 Geldstücke mit dem Gesamtgewicht von 3062 Pfund zu machen. Überliefert sind auch Anweisungen Erzherzog Albrechts für seine Münzstätte in Enns. Seit dem 20. Mai 1459 waren hier demnach aus einer Mark Silber – etwa 234 Gramm – 4300 Pfennige mit jeweils 16 Prozent Edelmetallgehalt zu prägen. Seit dem 7. Oktober 1459 sollten es 9728 Münzen mit nur noch sechs Prozent sein. Im darauffolgenden Frühling wurden 23 040 Münzen zu gerade mal drei Prozent Feingehalt angefordert. Schließlich kamen Wiener Pfennige auf den Markt, die nur noch aus Kupfer bestanden. "Wer viele alte Kessel hatte, münzte umso besser", spottete der österreichische Chronist Jakob Unrest.
"Die Schinderlinge gab jedermann gern aus, und niemand wollte sie behalten"
Chronist aus dem 18. Jahrhundert
"Und derselben Kreuzer und Pfennig wurden so viele gebracht gen Wien, dass zuletzt die Kinder auf den Gassen so viele der Pfennige hatten, dass sie die wegwarfen", beobachtete der anonyme Verfasser einer Chronik der Jahre 1454 bis 1467. Das werthaltige Geld verschwand aus dem Umlauf, Menschen flüchteten in Sachwerte. "Es war zwar", so der Chronist des 18. Jahrhunderts nach Aventinus, "damals ein sehr fruchtbares Jahr und alle Viktualien im Überfluss erbaut worden. Gleichwohl aber wollte niemand sein Getreide, Wein, Brot und andere notdürftige Dinge vor das neue Geld hingeben. Dagegen wurde die alte Münze von reichen Leuten eingewechselt und in den Schatz gelegt, dass man daher in kurzer Zeit fast kein einziges Stück mehr davon zu sehen bekam. Die Schinderlinge hingegen gab jedermann gern aus, und niemand wollte sie behalten."
Mit dem Silber war auch das Vertrauen dahin. Es habe "unter dem gemeinen Volk ein großes Murmeln, Zwietracht, Klagen und Weinen" gegeben, bemerkte der Wiener Anonymus. Sie "huben an zu schelten und zu fluchen den Römischen Kaiser und seine Räte, was zuvor nie war erhört worden, denn man gab ein Echterin (etwa 1,8 Liter) Wein um vierzig, fünfzig oder sechzig Pfennig". Der Gemeinde Freistadt, die den Umlauf "neuer" Pfennige auf dem örtlichen Markt hatte unterbinden wollen, musste Erzherzog Albrecht Ende November 1459 diese Maßnahme ausdrücklich verbieten.
Doch Anordnungen nützten nichts mehr. Den galoppierenden Wertverfall spiegelte der Wechselkurs des Silberpfennigs zu den geltenden Goldwährungen. Der Ungarische Gulden war Ende 1458 noch für 300 Pfennige zu haben, kostete ein Jahr später 960 und im April 1460 schließlich 3686 Pfennige. Das war der Zeitpunkt, als die Regierung das Ruder herumwarf und in Wien den Schinderling aus dem Verkehr zog. Der Spuk war vorbei.
In Bayern erzwangen böhmische Söldner die Wende auf ihre Art. Aventinus berichtet, sie hätten einen Scheiterhaufen angezündet und die Schinderlinge, mit denen Herzog Ludwig der Reiche sie hatte auszahlen wollen, ins Feuer geworfen.