Mal ein erster Entwurf, weil ich das schon länger vor mir herschiebe:
Warum auch eine 100%-Attacke keine Gefahr für Bitcoin darstelltUm das zu erklären, ist sicherlich ein einfaches Gedankenexperiment am besten.
Bob hat einen Super-Virus entwickelt, der alle Computer, die an Bitcoin minen, auf einen Schlag zerstört (bis auf seine eigenen, natürlich).
Damit kommt er plötzlich zu 100% der Rechenleistung im Bitcoin-Netzwerk.
Was kann er jetzt mit seiner Superkraft anfangen?
Er kontrolliert in jedem Fall, welche Transaktionen überhaupt noch in neue Blöcke gelangen.
Das macht ihn sozusagen zur "Zensurbehörde" des Bitcoin-Netzwerks.Somit kann er z.B. verhindern, dass noch Bitcoins zu Börsen überwiesen werden.
Er kann damit den Preis von Bitcoin mit Sicherheit massiv nach unten drücken.
Er kann auch verhindern, dass Alice Bitcoins überweist. Die Bitcoins von Alice sind damit insofern "wertlos", als Alice sich damit nichts mehr kaufen kann.
Kann Bob die Bitcoins von Alice aber klauen? Nein.Sofern Alice ihre Bitcoins schon eine zeitlang hat, sind ihre Bitcoins sicher.
Wenn Alice ihre Bitcoins erst vor ein paar Transaktionen bekommen hat, könnte Bob die Transaktion, in der Alice ihre Bitcoins erhalten hat, "rückgängig" machen, genauer gesagt, er kann eine Blockchain durchsetzen, in der Alice diese Bitcoins nie erhalten hat.
Alice hat zwar ihre Bitcoins nicht mehr, aber Bob hat sie auch nicht, sondern wieder derjenige, der die Bitcoins eigentlich an Alice gesendet hatte.
Soweit, so schlimm.
Das Problem an der Sache ist für Bob, dass all das nicht unbemerkt bleibt.
Zum einen wundern sich die Miner auf aller Welt, warum ihre ASICs plötzlich explodiert sind und zum anderen wundern sich Bitcoiner auf aller Welt, warum sie ihre Bitcoins nicht mehr versenden können.
Da niemand so recht weiß, was da eigentlich los ist, wird vorerst niemand mehr Bitcoins überweisen.
Wenn dieser Zustand länger anhält (dafür reichen in der Praxis wahrscheinlich schon ein, zwei Stunden), werden die Entwickler von Bitcoin Telefonkonferenzen mit den großen Minern abhalten, um zu klären, was hier gerade passiert.
So etwas ähnliches ist schon einmal geschehen, als sich in einem Versionswechsel ( von 0.7 auf 0.8 ) die Bitcoin-Blockchain versehentlich "aufgespalten" oder "geforkt" hat.
In diesem Zuge werden die Miner und Entwickler sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass es sich hier um einen großangelegten "Angriff" auf Bitcoin handelt.
Den Entwicklern bleibt in solch einem Fall eigentlich nur eine Lösung:
Der Mining-Algorithmus von Bitcoin muss sofort geändert werden.Die Miner werden davon sicherlich nicht begeistert sein, alle ihre ASICs sind damit auf einen Schlag wertlos.
Andererseits bleibt ihnen nichts anderes übrig, weil ohne eine Änderung ihr Equipment auch wertlos ist, wenn Bitcoin nicht mehr "funktioniert" (abgesehen davon ist ihr Equipment sowieso kaputt).
Die großen Miner werden vermutlich darauf drängen, einen bestehenden Algorithmus zu verwenden, für den sie selbst schon Equipment am Laufen haben.
Die meisten größeren Miner dürften also z.B. auf den Scrypt-Algorithmus setzen, was auch insofern sinnvoll ist, als damit das neue Bitcoin-Netzwerk von Beginn an eine gewisse, hohe Leistungsfähigkeit hat.
Wie lange es dann dauert, bis die Entwickler eine neue Version von Bitcoin "programmiert" haben, die den neuen Algorithmus verwendet, ist schwer abzuschätzen. Man wird sicherlich auf Nummer sicher gehen wollen, und die Software wenigstens ein paar Tage testen.
Insofern kann man davon ausgehen, dass im Falle einer 100%-Attacke das Bitcoin-Netzwerk für einige Tage stillsteht.Danach geht es mit neuem Algorithmus weiter.
Die alten Miner haben herbe Verluste erlitten, weil ihr Equipment in Flammen aufging und die entwickelten ASCIs wertlos sind. Andererseits besteht ihre Infrastruktur weiterhin und sie sind in der Lage, ihre Rechenzentren relativ schnell mit neuen ASICs für den neuen Algorithmus auszustatten. Damit bleiben sie wohl weiterhin die dominanten Player im Bitcoin-Netzwerk.
Das neue Bitcoin-Netzwerk ist kurzfristig deutlich geschwächt, die Miner werden aber in relativ kurzer Zeit (vermutlich ein paar Wochen bis wenige Monate) ihre Rechenzentren mit voller Kapazität wieder laufen haben.
Einige wenige Transaktionen in einem Zeitraum von einigen Stunden sind "unklar", es muss also eine Entscheidung getroffen werden, ob diese gültig sind oder nicht. Man wird sich vermutlich auf die konservative Lösung einigen, im Zweifel lieber ein paar Blöcke weiter zurückzugehen, um den letzten "sicheren" Block zu bestimmen.
Damit müssen wahrscheinlich einige Nutzer mit gewissen Verlusten leben, andere werden mit ihren Geschäftspartnern eine Neu-Abwicklung bereits getätigter Transaktionen aushandeln müssen.
Das Bitcoin-Netzwerk als solches ist nicht unsicher geworden, es hatte nur einen mehrtägigen Herzstillstand.
Die schnelle Lösung des Problems ohne, dass es hierbei zu einer Zentralisierung gekommen wäre, ist ein überzeugender Beweis für die Robustheit des Systems Bitcoin.
Mittel- und langfristig geht Bitcoin deutlich gestärkt aus diesem Vorfall hervor.Kurzfristig kommt es natürlich zu Kurseinbrüchen und schlechter Presse.
Wenige Nutzer werden tatsächlich einen Schaden haben.
Und Bob? Er hat eine Menge Geld in sein eigenes Equipment investiert.
Dieses Equipment kann nur SHA256, den ursprünglichen Algorithmus von Bitcoin.
Bitcoin verwendet nun aber kein SHA256 mehr.
Seine Investition ist wertlos.
Er konnte keine Bitcoins erbeuten.
Er konnte das Bitcoin-Netzwerk nicht ernsthaft beschädigen.
Hat er versucht, mit massivem Shorting oder dergleichen Geld zu verdienen, wird er voraussichtlich beim "Auscashen" erwischt und wandert auf Jahre in den Knast.
War er ein Geheimagent, der seinen Chef überzeugt hat, dass dieses Milliardenprojekt Bitcoin in die Knie zwingen wird, hat sein Scheitern sicherlich seine Kündigung zur Folge.
Armer Bob.