Vielleicht kann @qwk ja mal etwas schreiben zu seinem neuen Lebensabschnitt in Namibia.
Wäre sicher interessant, nicht nur für mich.
Puh, wo soll ich da anfangen?
Erstmal sehe ich mich (noch) nicht als Auswanderer.
Für den Moment bin ich jemand, der seit einigen Monaten in einem fremden Land lebt, und dort „austestet“, ob das Leben als Auswanderer überhaupt das richtige für ihn ist. Möglich, dass ich irgendwann einfach die Schnauze voll habe und wieder
hoam wui nach Fürstenfeld.
Namibia - Sonne, Sand, und Deutsches Bier? Nicht ganz, aber auch nicht ganz verkehrt.
Hier ist es schon „noch sehr Deutsch“. Auch wenn nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung tatsächlich Deutsche Vorfahren hat, bewegt man sich als weißer Deutscher Auswanderer mit (im Verhältnis zum hiesigen Durchschnitt) erheblichen finanziellen Mitteln eben üblicherweise in gehoberen Kreisen, und da sind auch viele Deutsch-Namibier zu finden.
Folglich sind die meisten Leute, mit denen ich hier üblicherweise verkehre, Namibia-Deutsche, Deutsch-Namibier oder Angehörige von Botschaften, „Hilfsorganisationen“ o.ä. und einige wenige Afrikaans. Oder im Klartext: Weiße.
Das deutet auch gleich auf die erste, häufige Frage hin: wie sieht es hier mit dem Rassismus aus? Kurze Antwort: ja, gibt es. Von Weißen gegen Schwarze, von Schwarzen gegen Weiße, von Schwarzen gegen Schwarze und von Weißen gegen Weiße (selbst Deutsch-Namibier gegen Namibia-Deutsche). Aber ganz ehrlich - so richtig ernst scheint den Rassismus hier keiner zu nehmen. Zu wirklicher Aggression kommt es deswegen eher selten.
Als Deutscher Einwanderer wird man den Rassismus am ehesten empfinden, wenn man in Behörden willkürlicher Schikane ausgesetzt ist. Nur, ob das wirklich an der Hautfarbe liegt, oder ob nicht eher der Neid auf den „Reichen“ die Motivation für die Schikane ist, oder ob der jeweilige Beamte einfach nur mal wieder einen miesen Tag hatte, weiß man hier auch nie so recht.
Womit wir beim nächsten Thema sind: Bürokratie. Wie im restlichen Afrika (so höre ich), betet der gemeine Beamte hierzulande den Götzen des Goldenen Kalbs Amtsschimmel an. Ehrlich, wer sich in Deutschland über Bürokratie ärgert, sollte um Afrika einen weiten Bogen machen.
Wenn ich mich erinnere, wie gemütlich es ist, in Deutschland in ein Bürgeramt zu gehen, sich einfach zu einem festen Termin für zehn, zwanzig Minuten mit einem halbwegs kompetenten Beamten an einen Tisch zu setzen, und zahlreiche bürokratische Akte in einem Aufwasch zu erledigen (Ummeldung, Mülltonnen abmelden, neue Mülltonnen bestellen, Personalausweis verlängern, noch schnell ein Führungszeugnis beantragen), steigt in mir die Sehnsucht auf.
Hier geht man aufs Amt, weil man das Abwasser für’s Haus anmelden muss. Man steht eine halbe Stunde in der Schlange, dann erhält man ein Formular. Das Formular ist die dritte Kopie einer Kopie schief auf einem Din A 4 Blatt, kaum noch leserlich. Das soll man selbst ausfüllen, und dann wiederkommen. Kugelschreiber gibt es hier nicht, muss man mitbringen (aber nur schwarz, blau wird hier nicht akzeptiert „wegen der Fälschungssicherheit“). Hilfe beim Ausfüllen? Fehlanzeige. Irgendwann ist man fertig, und muss sich erneut in die Schlange stellen, um dann nach einer weiteren halben Stunde das Formular abzugeben. Auf das Formular wird nun handschriftlich vermerkt, dass man 600 Dollar zahlen soll. Damit wird man nun zur Kasse geschickt. Die ist im Nebengebäude. Dort steht man erneut an. Natürlich kann man nur bar bezahlen. Man erhält eine Quittung und darf nun mit dem ausgefüllten Formular und der Quittung ein drittes Mal in der Schlange stehen, um schließlich das Formular abzugeben. Naja, so oder ähnlich sieht hier jeder Behördengang aus.
Klar, man kann für so etwas auch einfach Agenten beschäftigen, dann muss man sich das nicht selbst antun, aber irgendwie habe ich auch meinen Spaß dran, und glücklicherweise muss ich hier nicht arbeiten, kann meine Zeit also mit solchen masochistischen Hobbies vergeuden.
Achja, Bürokratie verhindert auch, dass ich mir (privat) ein Auto kaufe, solange ich keinen Aufenthaltsstatus habe, kann ich kein Auto anmelden.
Glücklicherweise habe ich auch eine Firma, und kann mein Auto auf die anmelden (muss dann aber über meinen Steuerberater laufen).
Dass ich für die Eröffnung eines Bankkontos mehrere Tage brauchte, zahlreiche Beglaubigungen einholen musste, und am Ende über 30(!) Unterschriften leisten musste, versteht sich da von selbst.
A propos Beglaubigungen: weil die hier so oft gebraucht werden, ist das andererseits recht einfach. Man geht mit dem Originaldokument und einer selbst angefertigten Kopie zu einem Polizeirevier, und die stempeln einem die Kopie ab. Kostenlos. Es geht auch unkompliziert.
Weniger unkompliziert war allerdings, als ich ein namibisches Führungszeugnis brauchte. An sich kein Problem (mal abgesehen davon, dass ich alle zehn Fingerabdrücke abgeben musste), aber als ich es brauchte, hieß es von Seiten der Polizei „sorry, system is down“. Das ging fast zwei Wochen so, bis die ihre Computer repariert hatten, und ich den Wisch endlich bekommen habe.
Eine weitere Frage, die häufig gestellt wird, ist die nach der Kriminalität. Da bin ich etwas zwiegespalten. Ich selber fühle mich hier sicher, und auch rein objektiv ist Namibia ein sehr sicheres Land. Dennoch ist Einbruchkriminalität hier weit verbreitet. Das kann auch kaum verwundern, wenn zahlreiche Menschen kaum genug zu Essen haben, und mit ansehen müssen, wie die reichen Weißen in ihren Luxushäusern im Nachbarviertel im Überfluss schwelgen. Häufig sind es dann die eigenen Hausangestellten, die den Einbrechern den Tipp geben, wann man nicht zuhause ist. Naja, entsprechend hat man hier Alarmanlagen, Stacheldraht, hohe Mauern, Sicherheitsdienste, die bewaffnete Trupps losschicken, sobald die Alarmanlage losgeht. Aber das sorgt irgendwie nicht für ein sichereres Gefühl, sondern lässt subjektiv die Lage nur bedrohlicher erscheinen als sie in Wahrheit ist. Man hat teilweise den Eindruck, in einer Art Überwachungs- oder Polizeistaat zu leben, wenn man sich all die Security-Kameras, privaten Wachdienste (alleine in meiner Straße sitzen regelmäßig zwei bewaffnete Wachen vor besonders „reich“ aussehenden Häusern), Stacheldraht und Mauern ansieht.
Wie sieht es mit dem Essen aus? Naja, ich kann hier im Superspar fast alles (total überteuert) kaufen, was ich auch in Deutschland bekomme. Wenn es mich nach Mozartkugeln gelüstet, bekomme ich auch die zum Schnäppchenpreis von ca. 15 EUR pro Schachtel. Oder wie wäre es mit einer 5-Minuten-Terrine für 3 EUR? Andererseits bekomme ich an der Backwarentheke gutes Deutsches Graubrot für 2 EUR pro Laib, oder frische Brezen (meist etwas arg versalzen), Croissants, Baguette, was immer das Herz begehrt. Aber irgendwie schmeckt fast nichts so 100% so, wie ich es mir wünsche. Die Gewürze sind hier einfach anders, die Rezepte an den hiesigen Markt angepasst. Aber ich will auch nicht klagen, im großen und ganzen bekomme ich hier, was ich will. Das „einheimische“ Essen wiederum ist recht einfach erklärt: Fleisch, gegrillt oder getrocknet. Als Vegetarier wird man hierzulande nicht glücklich. Meist bekommt man im Supermarkt einfach nur Rindfleisch, häufig gibt es aber auch diverse Sorten von Wild, frisch gejagt von umliegenden Farmen.
Zu trinken gibt es hier keine Spezi, ich muss in der Tat Cola und Fanta mischen, ansonsten gibt es halt Bier, meist aus der Dose (wie barbarisch).
Und das Wetter? Naja, es ist heiß. Und kalt. Manchmal regnerisch aber meistens knochentrocken. Verwirrt?
Tja, ich lebe hier in Windhoek, das ist eine Stadt 1750 Meter über dem Meer inmitten der Halbwüste / Trockensavanne Kalahari.
Das Klima ist also nicht einfach nur Wüste, sondern zugleich auch Hochland.
Wenn es trocken ist, blutet die Nase, bei 10% Luftfeuchtigkeit.
Weil wir Europäer die einheimischen Pollen nicht gewöhnt sind, gibt es Heuschnupfen selbst bei denen, die nie Allergien hatten.
Über uns ist vergleichsweise wenig Atmosphäre, die die Temperatur in der Nacht halten könnte, also haben wir hier im Winter auch mal ein paar Grad unter Null, selbst wenn man tagsüber in der Sonne T-Shirt und kurze Hosen trägt. Richtigen Frost gibt es nicht, allenfalls bildet sich mal eine dünne Eisschicht auf der Vogeltränke oder so.
Leider sind auch die Häuser entsprechend gebaut. Heizung ist hier ein Luxus, den sich nur wenige verrückte Europäer gönnen.
Unser Haus beheize ich also rustikal mit einem Holzofen, und mangels Dämmung heißt das vor dem Kamin Hitze von vorne und Kälte von hinten.
In der Regenzeit (November bis Januar) hat es hier jeden Tag geregnet, aber meist nur ca. eine halbe Stunde am Tag.
Danach wurde alles grün, mittlerweile stirbt langsam aber sicher wieder alles ab.
Ahja, nach der Regenzeit kamen die Mücken. Aber auch diese Plage ging vorbei.
A propos Plagen: Derzeit wird das Land im Süden von der großen Heuschreckenplage seit Jahrzehnten heimgesucht, vor ein paar Jahren war es die Dürre, dazwischen hat Corona den Tourismus zerstört. Keine Ahnung, warum ich das erwähne, aber „wir Deutschen“ jammern gerne, vielleicht hilft es, sich klarzumachen, dass es andere auch nicht leicht haben.
Ein paar praktische Fragen:
Was kosten Häuser? Das kann man am besten auf
https://www.myproperty.com.na/ vergleichen.
Gute Stadtteile in Windhoek sind Ludwigsdorf (für Europäer), Auasblick (für die Neureichen), Luxury Hill (für alteingesessenen Geldadel) oder wenn man nicht so wohlhabend ist, würde ich noch Avis empfehlen (das liegt auch schön am Stadtrand). Ich selbst habe mich für Ludwigsdorf entschieden, direkt am Rand, so dass hinter dem Garten die Wildnis beginnt. Das hat dann auch den schönen Nebeneffekt, dass mittlerweile schon zweimal die Paviane bei mir im Haus eingebrochen sind (einmal haben sie auf mein Bett gekackt, beim zweiten Mal auf meine Badewanne), und ansonsten klauen sie immer das Vogelfutter (ich musste mittlerweile das Vogelhäuschen dreimal austauschen, weil sie es jedesmal ziemlich grob zerlegen). Und eine Puffotter hatten wir auch schon im Garten. Meine Katze war natürlich so schlau, damit zu spielen (ihr ist nichts passiert, Katzen sind tatsächlich schneller als Schlangen).
Wer es noch Deutscher mag, zieht nach Swakopmund an die Küste, aber meiner Frau war es da zu kalt.
Irgendwo auf dem Land eine Farm kaufen und dort zu leben, ist sicherlich der Traum von vielen, aber seien wir ehrlich: dazu muss man geboren sein. Dann ist der nächste Supermarkt eben zwei Stunden Fahrt entfernt, und hat auch nur ein sehr begrenztes Sortiment. Und das nächste Krankenhaus mag noch weiter weg sein.
Abgesehen davon ist es Ausländern nicht erlaubt, Farmland zu kaufen.
Ausnahmen gibt es nur mit spezieller Genehmigung des Ministers, in den letzten (AFAIK) 7 Jahren ist eine solche genau ein einziges Mal erteilt worden, als ein Milliardär das Erindi-Hegegebiet gekauft hat (es hätte sich kein einheimischer Käufer gefunden).
Ansonsten kann man nur Farmen kaufen, die im Stadtgebiet liegen. Das kann auch relativ weit außerhalb sein (Windhoeks Stadtgebiet geht rund 40 km weit in den Umkreis). Diese Farmen sind allerdings entsprechend überteuert, und zudem oft schon mehrfach parzelliert, und eignen sich damit nicht mehr wirklich als landwirtschaftliche Betriebe.
Alternativ kann man eine Minderheitsbeteiligung an einer Gesellschaft erwerben, der eine Farm gehört, die Mehrheit muss dann in namibischen Händen liegen.
Krankenversorgung ist auch noch so eine Frage, die häufig kommt. Wir haben hier alles, und gefühlt oft besser als in Deutschland. Natürlich nur, wenn man es sich leisten kann. Wobei es immer noch billiger ist als in Deutschland, auch die Krankenversicherungen. Aber hat man gar nichts, fällt man auf die staatliche Grundversorgung zurück, und ganz ehrlich, mehr als das bloße Überleben wird dort nicht gesichert.
Aber wohlgemerkt, „unsereins“ hat deutschsprachige Ärzte, bei denen es spontan einen Termin gibt (ja, heute noch), und die sich Zeit für einen nehmen.
Auch die (privaten) Krankenhäuser genießen einen sehr guten Ruf, aber für komplizierte Operationen geht man im Zweifelsfall zum Spezialisten in Südafrika, Namibia hat einfach zu wenig Patienten um echte Spezialisten zu beschäftigen.
Übrigens: auch die Tierärzte sind gut.
Steuern zahle ich hier mangels Einkommen faktisch nicht.
Ansonsten ist das Steuersystem wenn man Einkommen im Land erzielt, relativ einfach und vergleichsweise günstig.
Dennoch würde ich sagen, dass man in Deutschland als Unternehmer tendenziell mehr Abschreibungsmöglichkeiten hat etc., so dass ich die reale Steuerlast in Deutschland eher niedriger einschätzen würde, aber da will ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Grundsteuern etc. gibt es hier auch, irgendwie muss der Staat ja an Geld kommen.
Aber es erscheint mir alles ein wenig überschaubarer, was in Anbetracht des überbordenden Deutschen Steuerapparats aber auch nicht verwunderlich ist.
Ein Auto habe ich hier natürlich auch (angemeldet auf meine Firma, s.o.). Klar, ein großer Toyota Fortuner, der ordentlich Sprit schluckt, und einen drolligen Kuhfänger habe ich auch vorne dran. Den braucht man hier aber auch, wenn man nachts auf den Landstraßen unterwegs ist, denn ein Zusammenstoß mit einem Warzenschwein kann das Auto sonst arg ramponieren.
Namibia ist im Übrigen das Land, das weltweit die meisten Verkehrstoten pro Einwohner hat.
Wer sich ansieht, wie die Sammeltaxis hier teilweise riskante Überholmanöver auf den Landstraßen machen, wundert sich nicht.
So ein überfüllter Kleinbus, der frontal mit einem LKW zusammenstößt, sorgt eben regelmäßig für eine größere Zahl an Opfern.
Auch das ist ein Grund für das große Auto und den Kuhfänger.
So, das waren jetzt mal ein paar erste Eindrücke aus einem Land, in dem ich noch nicht so recht angekommen bin.
Vieles kannte ich (ich war hier vor meiner „Auswanderung“ schon mehrere Monate), anderes sehe ich erst jetzt so richtig.
Ob ich bleibe, kann ich, ganz ehrlich, nicht mit Bestimmtheit sagen; es gibt gute Gründe, weshalb ich mich hier wohlfühle, aber auch den einen oder anderen Grund, weshalb ich manchmal Heimweh habe.
Ich bin in der glücklichen Lage, es mir leisten zu können, das hier auszuprobieren.
Wenn ich wieder nach Hause will, gehe ich.
Dieses Glück haben nicht alle Menschen, die irgendwo in der Fremde leben wollen oder müssen.
Ich setze das hier aus gutem Grund an den Schluss:
Ich habe hier noch keinen festen Aufenthaltstitel, man kann mich praktisch jederzeit des Landes verweisen.
Auch das ist eine interessante Erfahrung, wenn man bemerkt, was es rein psychisch mit einem macht, wenn man sich nicht recht „willkommen fühlt“.
Ich habe derzeit keine große Lust, mir hier etwas aufzubauen, schließlich könnte es jederzeit sein, dass ich wieder gehen muss.
Ich kann mir nun besser vorstellen, wie es einem Immigranten in Deutschland geht, der sich nicht recht integrieren kann, weil ihm keine sichere Bleibeperspektive geboten wird.