Die Inflation ist ja nur wieder niedrig weil die Zinsen hoch sind. Ich würde da eher ein neues Gleichgewicht vermuten, sprich wenn die Zinsen wieder fallen würde auch die Inflation wieder steigen, sprich die Zinsen werden wohl erstmal nicht gesenkt. Oder hab ich da einen Denkfehler?!
Ich vermute mal, wenn die Leitzinssätze zu schnell sinken, könnte die Inflation tatsächlich wieder anziehen.
Aber der Schluss "niedrige Zinsen => Inflation" stimmt ja so nicht ganz. Es gab ja längere Phasen mit niedrigen Zinsen und niedriger Inflation, gerade in den 2010ern, als man gar nicht mehr wusste was man sonst noch machen sollte, um die Inflation anzukurbeln.
Soweit ich mich mit dem Thema befasst habe (studierter Experte bin ich aber nicht), ist ein wichtiger Indikator für die Inflationsentwicklung die Inflationserwartung. Wenn die Massen glauben, die Preise gingen hoch, dann gibt es auch Preiserhöhungen. Zum einen, weil die Unternehmen alles versuchen, Preiserhöhungen durchzusetzen, bevor diese in ihrer Lieferkette auftreten könnten. Und zum anderen, weil die Konsumenten mitmachen, d.h. kaufen, weil "ja eh alles teurer wird", und natürlich wegen den angestrebten Lohnerhöhungen. Das Wort
Gierflation, das sich da in einigen Medien durchgesetzt hat, sehe ich dabei eher kritisch, weil viel davon nicht mit Gier sondern mit Absicherung zusammenhängt (man versucht, eine eigene Schieflage vorzubeugen, weil man ja sonst selbst von der Inflation in vorherigen Stufen der Lieferkette beeinträchtigt werden könnte).
In Ländern mit galoppierender Inflation wie Argentinien ist dieses Phänomen der Inflationserwartungen recht extrem: da man weiß, dass das Preisniveau selbst wöchentlich signifikant ansteigt, kauft man auch noch bei einer moderaten Preiserhöhung, weil es ja schlimmer kommen könnte ("ach, nur 10% erhöht diesen Monat, nehme ich mit, könnten auch 20% sein"). Die Konsequenz: Die Inflation setzt sich fest, da die Konsumenten so gut wie gar nicht mehr als "Kontrolle" gegenüber Preiserhöhungen taugen.
Ausgehend von diesen Überlegungen, wäre es für die Zentralbanken zur Wahrung der Preisstabilität logisch, die Leitzinsen nur langsam abzusenken. Also warten, bis auch die Kerninflation (die ist ja noch über 3% in der Eurozone) und somit die Inflationserwartungen wieder "im Lot" sind. Aber dann kann man sie langsam senken, immer die Konjunktur im Blick. Vielleicht geht das Niveau nicht ganz aufs Niveau der 2010er runter, aber das Niveau der 1990er und 2000er (2-4%) ist doch gut erreichbar, denke ich, ohne die Inflation wieder anzuheizen.
Man muss ja immer bedenken, dass die ganze Inflationsproblematik auf zwei Hauptfaktoren zurückgeht: die Lieferengpässe nach COVID (2021) und dann die europäische Energiepreiskrise wegen des Ukrainekriegs (2022-23). Beides scheint inzwischen überwunden, auch wenn der Krieg leider weiter tobt