Sorry für OT, aber ic habe einmal das Rausgesucht über die NO-GO Ares, DW Magazin 05 2016
Wie gesagt vor langer Zeit einmal darüber gelesen, und jetzt aber auch nicht noch einmal gelesen
, dürft ihr bewerten...
Dann "bewerte" ich das mal so sachlich ich kann.
Welt der Wunder Magazin kenne ich nicht, ist wohl ein Spin-Off einer Fernsehsendung eines, naja, sagen wir, sehr "publikumsnahen" Privatsenders.
Inhaltlich fangen wir mit der Überschrift an.
"No-Go-Areas: Wo ich in Deutschland nicht mehr auf die Straße gehen kann"
Ja, das wäre für mich eine echte No-Go-Area, wenn "ich" nicht mehr auf die Straße gehen "kann".
Der Artikel selbst:
1. eine Anekdote eines Vorfalls aus dem Jahr 2015 in Gelsenkirchen, als Polizeibeamte angegriffen wurden, als sie aus dem Streifenwagen stiegen, anschließend schnelle Flucht der Täter. Bei den Tätern soll es sich um Mitglieder eines bekannten kriminellen Clans mit libanesischen Wurzeln handeln.
Die Information selbst soll aus einem "geheimen" Lagebericht der Polizei fürs Innenministerium stammen.
Der Clan soll vorgeblich einige Viertel zu seinem "Hoheitsgebiet" erklärt haben, wobei nicht erwähnt wird, woher diese Information stammen soll.
Im "offiziellen" Bericht soll es "hingegen" heißen, es gäbe keine No-Go-Areas in der Stadt.
Es folgt die Frage, ob die Regierung verschweige, dass sie in einigen Stadtgebieten die Kontrolle verloren habe.
Ich will hier ungern Grundlagen der Medienkompetenz vermitteln müssen, aber das ist nicht nur dürftig, das ist eigentlich ein inhaltsloser Absatz.
Es handelt sich um eine Anekdote, d.h. um die Schilderung eines einzelnen Ereignisses.
Diese steht nicht in direktem Zusammenhang, oder zumindest wird dieser nicht im Artikel hergestellt mit "No-Go-Areas", sondern bezieht sich auf eine spezifische kriminelle Handlung weniger Einzelpersonen.
Diese Einzelpersonen sollen einer spezifischen Gruppierung angehören, ohne dass es hierfür eine Qualifizierung der Fakten gäbe (ich nehme in dem Fall dennoch an, dass es zutrifft, die Polizeibeamten kennen solche Gruppierungen tatsächlich meist recht gut).
Diese spezifische Gruppierung soll einen "Clan", also eine im Kern familiär zusammengehaltene Gruppe darstellen, die gemeinsame Interessen verfolgt.
Diese Interessen sollen (überwiegend?) krimineller Natur sein.
Letztere zwei Aussagen sind möglicherweise zutreffend, wenn auch ebenfalls nicht im Artikel qualifiziert.
Ob diese Gruppierung letztlich libanesisch ist oder nicht, sei mal dahingestellt, es folgt jedenfalls keine Erläuterung, inwiefern die "Nationalität" dieser Gruppierung überhaupt relevant sein soll.
Wenn ich das relativieren wollte (was nicht der Fall ist), könnte ich den libanesischen Clan gegen die Ultras eines beliebigen Fußballvereins ersetzen und das Stadtvierte durch die Umgebung eines Fußballstadions oder einen anderen typischen Aufenthaltsort.
Schließlich wird unterstellt, es gäbe einen "geheimen" und einen "öffentlichen" Bericht, die voneinander abweichen (was zunächst nichts ungewöhnliches ist), ohne auch diese Aussage zu qualifizieren. Die bloße Tatsache der Abweichung wird zum Anlass genommen, der Regierung eine "Vertuschung" zu unterstellen. Auch hier ohne Qualifizierung.
Zu letzterem erspare ich mir ehrlich gesagt jeden Kommentar, das ist keine Berichterstattung, das ist, gelinde gesagt, schlechter bzw. überhaupt kein Journalismus. In einer Glosse wäre das möglicherweise akzeptabel, in einem vermeintlich sachlichen Bericht ist das fehl am Platz.
Gang-Land Ruhrgebiet
"No-Go-Areas kannten wir lange nur aus ...", schon diese Formulierung ist nicht einfach unglücklich gewählt, hier wird vorsätzlich impliziert, dass bereits Tatsache ist, dass solche No-Go-Areas heute Realität auch hierzulande sind. Mit Berichterstattung hat das nichts zu tun.
"In Deutschland waren rechtsfreie Räume bis vor Kurzem undenkbar" schlägt in die selbe Bresche.
"Jetzt aber gibt es bundesweit immer mehr Viertel, die von ausländischen Großfamilien beherrscht werden", danach folgt eine Aufzählung (vermutlich) solcher Viertel, ohne dass auch nur der Versuch unternommen wird, das in irgendeiner Weise zu qualifizieren. Das ist bloße Behauptung.
"In Duisburg-Marxloh patrouilliert mittlerweile eine Hundertschaft der Polizei", das ist wenigstens mal ein prüfbares Faktum, sagt aber im Kern noch nichts aus. Wenn Duisburg-Marxloh groß ist und über eine entsprechende Demographie verfügt (z.B. einkommensschwache Schichten), dann darf es einen nicht wundern, wenn dort die Polizei mehr Arbeit hat. Das war in München Giesing in den 60er Jahren nicht anders.
Informationsgehalt bisher: 0.
Es fehlt einfach jede Zahl, jede Kennziffer, jedes Faktum, das in irgendeiner Weise die Hypothese vom "Gang-Land" stützen könnte.
Der Absatz erschöpft sich darin, es als Fakt hinzustellen, dass dem so sei.
Nahtlos (ohne Absatz oder neue Überschrift) geht es über zu "und in Berlin versucht die Polizei jetzt, durch Razzien den Rechtsstaat wiederherzustellen".
Abgesehen davon, dass Berlin mit dem Ruhrgebiet höchstens dann etwas zu tun hat, wenn die Toten Hosen den Wannsee eines Tages tatsächlich mit nach Düsseldorf nehmen, ist die bloße Tatsache (die wieder einmal nicht mit Fakten untermauert ist), dass die Polizei in Berlin Razzien durchführt, grundsätzlich irrelevant, sofern diese Razzien nicht in irgendeiner Weise gehäuft und spezifisch gegen Gangs stattfinden. Dafür fehlen zumindest im Artikel aber alle Anhaltspunkte (es mag ja sogar wahr sein, nur gibt der Artikel das eben nicht her, was denkt sich dieser Journalist eigentlich?).
Es folgt ein Zitat des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft. Ohne Zusammenhang, wohlgemerkt.
Selbst wenn wir einmal außer acht lassen, dass es irgendwie ja "Aufgabe" der Polizeigewerkschaft ist, "mehr Polizisten zu fordern", "bessere Ausstattung", "bessere Arbeitsbedingungen", es also nicht verwundern darf, wenn so ein Gewerkschafter prinzipiell die Situation stets als "eher schlecht" darstellen wird, ist einfach nicht erkennbar, warum die Aussage, es gäbe in Berlin "Stadtteile, in denen sich die Kollegen kaum noch trauen, ein Auto anzuhalten", überhaupt in einem Zusammenhang mit "Gang-Land" oder "No-Go-Areas" stehen soll.
"Die Beamten wissen, dass sie dann 40 oder 50 Mann an der Backe haben", ist (vermutlich) eine Übertreibung, ganz so schnell bekommt auch eine Großfamilie nicht 50 Leute zu einer einfachen Verkehrskontrolle. Aber ich gebe zu, dass ich selbst so etwas in der Art schon erlebt habe, wenn bei einem Verkehrsunfall plötzlich zahlreiche Familienmitglieder auftauchen. Nur ist das eben wieder nichts, was mit No-Go-Areas überhaupt zu tun hat. Es ist sicherlich lästig für die Polizeibeamten, und in manchen Fällen auch nicht ungefährlich, schließlich entsteht dabei schnell eine ungute Gruppendynamik. Andererseits ist es eben auch niemandem zu verbieten, zahlreiche Zeugen und Unterstützer herbeizurufen. Von Gewalt oder dergleichen ist hier ja noch nicht einmal die Rede.
Anders gesagt, dieser Ausflug zum Gewerkschaftler ist sicherlich interessant und bestätigt mich (rein subjektiv gefühlt) in gewisser Weise in meiner Auffassung, dass die überwiegend konservativen Regierungen der letzten Jahrzehnte die Polizei kaputtgespart haben, nur hat das eben leider wenig bis gar keine Relevanz für das Thema "No-Go-Areas" und kann insbesondere wieder nicht mit Fakten aufwarten, die die These in irgendeiner Weise unterstützen würden.
Den Rest überfliege ich jetzt mal, sonst wird mir das zu viel.
Behauptet wird, es handele sich oft um "arabische Großfamilien", ohne "oft" zu qualifizieren oder Quellen dafür zu bieten.
Übergangslos geht es weiter nach Bremen zu einem libanesischen Clan, der vorgeblich von der Regierung "ohne Perspektive" ins "Ghetto" abgeschoben wurde, auch hier ohne Qualifizierung, aber wenigstens mal mit dem Ansatz, sozioökonomischen Erklärungsversuche zu bieten. Wer Bremen kennt (zufälligerweise wohnt rund die Hälfte meiner Familie dort), dem sind diese "Ghettos" und ihre Entstehungsgeschichte nicht unbekannt, mit Ausländern hat das weit weniger zu tun als mit dem Niedergang bestimmter Industrien. Ob da nun Libanesen oder Deutsche wohnen, spielt letztlich keine Rolle. Da kommt dann noch ein Mitglied der bremischen CDU zu Wort, warum auch immer, schließlich ist Bremen nicht wirklich CDU-Land. Dass man ausgerechnet von einem bisher hoffnungslosen Oppositionspolitiker nicht gerade aufmunternde Worte über die Arbeit der Regierung erwarten kann, sollte irgendwo nachvollziehbar sein.
Dem wird die Aussage der Kölner Oberbürgermeisterin gegenübergestellt, es gäbe "keine rechtsfreien Räume", nur um diese anschließend sofort zu relativieren, es handele sich um ein bloßes Wortspiel (warum werden die Worte des Bremer CDUlers nicht ebenso relativiert?).
Es folgt die Aussage, "die Politik" (wer auch immer damit gemeint ist) verschweige, dass die Gesetze "längst nicht mehr überall durchgesetzt werden" können. Ohne Punkt, Komma, Strich aber mit Ausrufezeichen und ohne auch nur den Ansatz einer Begründung. Fakt ist, was ich sage, denkt sich der Schreiberling wohl.
Es folgt der obligatorische Ausflug auf die Kölner Domplatte in der Silvesternacht.
Warum ausgerechnet dieses einzelne Ereignis so oft als Beispiel herhalten muss, wenn es doch angeblich so sehr die Norm sein soll, dass es "rechtsfreie Räume", "No-Go-Areas" und "Gang-Land" gibt, erschließt sich zumindest mir nicht.
Dabei wird noch die Frage gestellt, ob es sich bei diesem Ereignis möglicherweise um einen "Test der Clans" gehandelt habe, wie weit man gehen könne?
Zufall? Verschwörung? Außerirdische? I'm not saying it was Aliens. But it was Aliens.
"Droht nun ein Krieg mit den Banden?" als nächste Frage.
Schließlich soll ein Powwow mit "den Libanesen" (wer auch immer das ist) zu den Worten geführt haben, "Ihr könnt einen Krieg mit uns nicht gewinnen - wir sind zu viele". Wer diese Worte gesprochen hat, ob diese überhaupt repräsentativ sind, ob dies zu einem Abbruch der Gespräche geführt hat, oder lediglich sachliche Feststellung einer (sicherlich zutreffenden) Tatsache war - all das fehlt im Artikel.
Klar ist: einen "Krieg" mit "den Libanesen" können wir nicht gewinnen.
Nur warum sollten wir denn auch einen führen?
Si vis pacem, evita bellum.
TL;DR: ich will deine Medienkompetenz nicht zu sehr in Frage stellen, aber bist du dir sicher, dass es eine gute Idee ist, einen solchen Artikel als Untermauerung der These von No-Go-Areas abzuliefern? Ich habe meine Zweifel.