Im Artikel steht aber, dass es eben KEINE privaten Veräußerungsgeschäfte sein könnten, weil es u.U. keine Wirtschaftsgüter sind. Deshalb evtl. keine Jahresfrist für Kryptos, denn sie fallen dann eben nicht unter private Veräußerungsgeschäfte.
Das kann für Hodler noch unschön werden, wenn dafür dann eine andere Steuer anfällt... je nachdem was irgendwann mal entschieden wird.
Immer wieder diese unnötige Panikmache
Mal ein paar Punkte zum zitierten Ausschnitt:
1. es handelt sich um die "Einzelmeinung" von Oliver Christian Schroen, der vor ein paar Wochen einen sehr "theoretischen" Artikel im
DStR Heft 26/2019* veröffentlicht hat, in dem er Überlegungen zur formalen steuerrechtlichen Einordnung zu Bitcoin anstellt.
2. einige Grundannahmen, von denen der Autor ausgeht, sind offensichtlich falsch. Er verkennt die rein technisch bedingte Funktion von Bitcoin mittels kryptographischer Signaturen mit dem real nach Außen wirksamen Effekt, den diese haben. Damit behandelt er eine juristische Frage nicht anhand der Wirksamkeit einer Sache nach Außen, sondern an deren bloßer technischer Umsetzung, was i.d.R. nicht relevant ist, da auch der Gesetzgeber darauf nicht abzielt. Das kann im Einzelfall anders sein, ist es aber auch und besonders im Steuerrecht normalerweise nicht.
3. konkret im hier zitierten Abschnitt findet sich z.B. die Behauptung "dass kein vorsichtiger, vernünftiger, fremder Kaufmann, also „aus der Sicht eines potentiellen Betriebserwerbers“, diesen „einen eigenständigen Wert“ zumessen bzw. er sich die „Erlangung“ derselben „etwas kosten“ lassen würde." Dies ist offensichtlich unzutreffend, da bereits zahlreiche Beispiele aus der Praxis existieren, in denen real Unternehmen veräußert wurden, und bei deren Erwerb die "enthaltenen" Bitcoins sehr wohl in die Kaufpreisermittlung mit einflossen.
Kurz gesagt: das ist ein sehr, sehr theoretischer Artikel, der ein paar Fragen aus einer "bewusst" streng formalen Sichtweise beleuchten will. Das hat für die reale Besteuerung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinerlei Bedeutung.
Davon abgesehen sind Fragen wie z.B. die nach dem "privaten Veräußerungsgeschäft" bereits abschließend geklärt. Hierzu existiert vom BMF selbst eine verbindliche Auskunft, auf die man sich berufen kann. Und zwar bereits seit 2013 (wenn ich mich recht erinnere).
Wenn überhaupt, ergäben sich aus den Überlegungen des Autors also Nachbesserungspflichten für das BMF und möglicherweise den Gesetzgeber.
Den Hodler jedenfalls betrifft das nicht.
* der Artikel liegt mir vor. Ich zitiere mal auszugsweise ein paar Stellen:
4.4.1 Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre24
Eine Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre liegt idR vor, wenn dieses „Etwas“ länger, dh mehrfach nutzbar ist, eventuell sogar, wenn es nur einmal, jedoch irgendwann in späteren Jahren nutzbar ist. Hat jemand seine Kenntnis des PS einmal für eine Signatur eingesetzt, der eine erfolgreiche Transaktion folgte, so hat er seine Signaturmöglichkeit insoweit verbraucht. Deswegen kann von einer mehrfachen Nutzung der Signaturmöglichkeit, also auch von einer Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre, nicht gesprochen werden.
Dies ist technisch falsch.
So wird in Abschn. 12 des Bitcoin-Whitepapers25 darauf hingewiesen, dass ein „double-spending“ nur solange ausgeschlossen ist, solange „honest nodes control a majority of CPU power“. Gemeint sind hier insbesondere die bereits mehrfach auch schon stattgefundenen sog. 51 %-Attacken. Auch ist es denkbar, dass Staaten mit enormer „CPU power“ 51 %-Attacken fahren („Cyberwar“). Daneben bestehen viele weitere reale Risiken26, die zur Nichtnutzbarkeit von Signaturmöglichkeiten führen, was bereits erfolgte technische oder menschliche Einwirkungen auf „Krypto-Währungen“ („Mt Gox“, „Quadriga CX“, „Binance“) zeigen.
Dies ist unzutreffend. Auch im Falle von 51%-Attacken bleiben die Signaturen nutzbar.
Abgesehen davon haben "MtGox et. al." nichts zu tun mit 51%-Attacken, und insgesamt überhaupt nichts mit Bitcoin "per se".
Wenn große Verkaufsorders selbst bei Bitcoin für starke Kurseinbrüche sorgen, gilt dies umso mehr bei „kleinen Krypto-Währungen“.27
Weil ich nicht den ganzen Abschnitt quoten möchte: der Autor bezieht sich auf die Volatilität, und nutzt diese als Argument gegen die "Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre". Dies ist nicht folgerichtig, da dies kein Wesensmerkmal der Kryptowährung an sich ist, sondern von allen an einem freien Markt gehandelten Wirtschaftsgütern.
4.4.2 Wert für einen Kaufmann
[...]
Dass Signaturmöglichkeiten keinen intrinsischen wirtschaftlichen Wert haben, sehen auch die Justizministerinnen und Justizminister der Länder so: „Ihren Wert erhalten Bitcoins ausschließlich durch den Handel. Das bedeutet, dass der Wert nur entsteht und erhalten bleibt, solange es Nutzer gibt, die bereit sind, Bitcoins als Gegenleistung für (reale) Waren oder Dienstleistungen bzw. Geld zu akzeptieren. Einen innewohnenden Wert besitzen Bitcoins nicht.“32
Das ist nicht zutreffend, da Bitcoins eben sehr wohl einen "intrinsischen Wert" haben, nämlich den, einen bestimmten Nachweis mit berechenbarer Sicherheit zu führen. Diese Fähigkeit ist ein Nutzen, der dem Bitcoin per se innewohnt, und gerade nicht irgendeinem anderen Wirtschaftsgut.
Der gedachte Kaufmann würde sich mit dem Erwerb von Signaturmöglichkeiten keinen „Vorteil für den Betrieb“, sondern einen Nachteil einhandeln, da die Möglichkeiten, mit gesetzlichen Zahlungsmitteln zu bezahlen, wesentlich vielfältiger sind als mit Bitcoin oder mit anderen immer mit zu erwägenden „Krypto- Währungen“.
Das ist schon fast eine absurde Argumentation.
Ein Vorteil wird nicht dadurch zum Nachteil, weil es einen anderen, ggf. höheren Vorteil gibt.
Würde man dieser Argumentation folgen, gäbe es in letzter Konsequenz exakt ein, und kein anderes Wirtschaftsgut, nämlich jenes, welches gegenüber allen anderen den größten Vorteil bietet.
(ja, das ist eine reductio ad absurdum)4.4.2.3 Objektiv werthaltige Position?
[...]
Wie oben dargestellt, existiert weltweit eine Vielzahl von Exchanges, welche zur selben Zeit eine Vielzahl von Kursen in USD angeben. So wurden am 16.5.2019 bei nur 400 Exchanges als Kur- se für Signaturmöglichkeiten pro „1 Bitcoin“ zur selben Uhrzeit zwischen 9.953,95 USD und 6.601,86 USD bzw. „Volume excluded“ sogar nur 3.397,09 USD angegeben. Und das ist nur der offizielle Handel auf einigen Exchanges!
Der Marktpreis von anderen Wirtschaftsgütern schwankt sicherlich je nach Standort ebenfalls.
Ich könnte mir vorstellen, dass ein Eiswürfel in der Wüste einen anderen Marktwert hat als am Südpol.
Dass die zitierten "400 Exchanges" darüberhinaus offensichtlich zum großen Teil irrelevante Exoten sind, oder gar ausgemachte Betrugs-Seiten, spricht nicht für die sorgfältige Recherche des Autors.
4.4.3 Übertragbarkeit
Ein Vermögenswert muss übertragbar sein, um als WG zu gelten. Was genau muss hier über- tragbar sein? Ist es die Kenntnis des PS für die Signaturmöglichkeit oder ist es die Signatur- möglichkeit selbst? Dass es der Coin, also die niemandem gehörende Signaturkette, nicht sein kann, wurde bereits dargelegt.
Offensichtlich versteht der Autor trotz eigenem Bezug auf das Bitcoin-Whitepaper an anderer Stelle die Funktionsweise von Bitcoin nicht, und nimmt sein eigenes Unverständnis zum Anlass, zu folgern, dass hier nichts übertragbar sei. Ich erübrige mir einen Kommentar.
Etc. pp. ff.
Der Artikel ist sicherlich als "Gedankenexperiment" nicht uninteressant.
Er strotzt allerdings vor Fehlern in der technischen Beschreibung, in der praktischen Bewertung von Tatsachen und wird (hoffentlich) auch von niemandem Ernst genommen.
Die Qualifikation des Autors als Jurist möchte ich nicht beurteilen, seine Expertise in Bezug auf die technischen und wirtschaftlichen Realitäten von Bitcoin jedenfalls muss ich als mangelhaft bezeichnen.