Ich gehe weiterhin davon aus, dass uns im Zuge von Corona massive gesellschaftliche Verwerfungen bevorstehen.
Wenn China als erfolgreicher wahrgenommen wird in der Bewältigung, hat das eine Signalwirkung auf den Rest der Welt, ob die Demokratien westlicher Prägung weiterhin über die Strahlkraft als leuchtendes Vorbild verfügen.
Wenn China nun in der Krise mehr Unterstützung für krisengebeutelte Länder der zweiten und dritten Welt schickt, wird das geopolitische Konsequenzen haben.
Dies kombiniert mit dem ohnehin vorhandenen und in den letzten Jahren in den Vordergrund getretenen Anspruch auf chinesische Dominanz ist ein Brandbeschleuniger für die Neuausrichtung der Weltpolitik.
Donald Trump wird in die Geschichte eingehen als der Präsident, unter dessen Ägide der US-amerikanische Weltherrschaftsanspruch final sein Ende fand. Soviel zu "America first".
Ja das ist sicher nicht von der Hand zu weisen.
Europa gab ja auch vor der Krise schon ein merkwürdiges Bild ab. Einerseits schottet die westliche Welt ihren Wohlstand nach Süden und Süd-Osten ab, während gleichzeitig mittels unfairer Verträge bsw. im Agrarsektor dieser auf Kosten von Süd und Süd-Ost noch vermehrt werden soll. China hingegen trat und tritt auf als Heiland für Entwicklung und Fortschritt, natürlich nicht wie im Märchen. Aber gerade die afrikanischen Länder und ihre Bürger haben hier eher das Gefühl der Teilhabe. Man könnte auch sagen, daß für sie eine Win-Win Situation näher scheint als bei Einlassungen mit Europäern.
In der Coronakrise kann sich das natürlich noch potenzieren. Einen Ausblick in die Zukunft während Corona würde ich aber noch nicht wagen wollen, da ich einerseits nicht glaube, daß China die Lage so im Griff hat, wie es scheint und andererseits noch weitere Verwerfungen, ich denke da z.B. an Indien, Pakistan oder andere labile Gebilde, zu erwarten sind.
Vergleichbar gilt das natürlich auch für die innereuropäische Politik.
Wenn autokratische Regimes auch nur den Anschein erwecken können, sie würden mit der Krise besser fertig, und / oder das Virus wäre eine Bedrohung von Außen, derer man sich mit Abschottung und Überwachung besser stellen könnte, und zugleich die Europäische Union in der Krisenbewältigung versagt, wird dies nicht nur den europäischen Einigungsprozess bremsen, sondern ist möglicherweise in der Lage, ihn sogar wieder umzukehren.
Das war und ist natürlich ein Armutszeugnis für Europas Verantwortliche. Eigentlich haben sie all das getan bzw. wiederholt, was sie Trump Stunden oder Tage vorher noch ankreideten.
Die einstige Idee, beginned mit dem Bann einer potentiellen Kriegsgefahr durch die wirtschaftliche Montanunion, aus der sich im Laufe der Jahre tatsächliche Freundschaften und Versöhnung entwickelten, scheint zu einem Mißtrauensverhältnis und Kampf zwischen Reich und Arm, zwischen Nord und Süd verkommen zu sein, in dessen Sog die nationalistischen Kräfte und Populisten wieder deutlich an Kraft gewonnen haben. Und wenn man den Kurs beibehält, wird diese EU in der Form die nächsten Generationen wohl nicht unbeschadet überstehen.
Zugleich mit diesen geopolitischen Verwerfungen kommt es zu einem massiven Eingriff des Staats in die Privatwirtschaft, und damit der Auflösung des Mantras der vergangenen 30 Jahre, nach dem die Privatwirtschaft der allein seeligmachende Akteur in der Deckung des Bedarfs komplexer Gesellschaften wäre.
Die Staatsquote wird wohl in nahezu allen Volkswirtschaften in den kommenden Monaten und Jahren massiv nach oben schnellen, und damit auch die Breitenwirkung und letztlich Macht der politischen Akteure.
Von diesem Mantra habe ich eh nicht viel gehalten. Jedenfalls nicht so, wie es in den letzten Jahrzehnten zelebriert und gefeiert worden ist.
Und ich würde hier schon unterscheiden, zumindest gab es mal den Begriff der sozialen Marktwirtschaft und den des Allgemeinwohls. Gerade im Gesundheitswesen ist davon wenig übrig geblieben, was vielerorts den Leuten überall auf der Welt und genau jetzt auf die Füße fällt. Hier war ich schon immer der Meinung, daß das eine Fehlentwicklung ist. Ebenso kann ich keinen gesellschaftlichen Vorteil darin erkennen, daß Vermögensverwalter mit Weltmachtniveau ihre Leute in Vorständen platzieren und die Firmenpolitik auf Kosten der Firmen und Verbraucher bestimmen sowie Einfluß auf Staaten und deren Institutionen mit weitreichenden Folgen für das globale Finanz- und Wirtschaftsystem haben. Wenn solche Verwerfungen verschwinden, dann wäre ich der letzte Mohikaner, der denen nachtrauern würde.
Und ich würde auch keiner Investmentgesellschaft eine einzige Träne nachweinen, die als
Vermieter Miethai vom Markt verschwinden und durch anständige Vermieter ersetzt wird.
Aber mal sehen, vielleicht sind auch die anständigen Kaufleute und Unternehmen die Dummen am Ende des Tages und die großen Player werden in ihrer Monopolstellung gefestigt.
Für eine nach der Krise staatlich dominierte Wirtschaft fehlt mir momentan aber noch die Vorstellungskraft... oder die Glaskugel.
Ganz nebenbei entsteht der Eindruck, dass Big Data gelingen könnte, sich als Überwachungsstaat im Staat zu etablieren, dem bereits heute fast magische Fähigkeiten in der Krisenbewältigung nachgesagt werden. Womit es zumindest schwierig wird, weiterhin das Recht auf Privatsphäre, Anonymität und individuelle Freiheiten gegenüber diesen modernen Akteuren der totalen Überwachung zu verteidigen.
Ja vielleicht. Wenn die "Ich habe ja nichts zu verbergen" Mentalität und der Wunsch nach dem starken Staat, der die Menschen führt und leitet zusammentreffen, habe ich durchaus meine Sorgen.
Trotzdem, noch haben wir es selbst in der Hand...
Ich bleibe dabei, Corona wird wohl als gewaltige Zäsur des beginnenden 21. Jahrhunderts in die Geschichtsbücher eingehen.
Das Ende der US-amerikanischen Dominanz.
Der endgültige Beginn des chinesischen Zeitalters.
...
Wahrscheinlich wird es eine Zäsur geben. Ich habe nur noch keine wirkliche Ahnung, in welche Richtung das wirklich geht.
Das Ende der amerikanischen Dominanz sehe ich momentan so noch nicht, eher könnte es auf einen Status Quo hinauslaufen zwischen China und den USA. Denn auch China wird nicht völlig unbeschadet aus dieser Krise kommen. Derzeit sieht es aber in der Tat so aus, als wäre China gestärkt gegenüber den anderen Playern.