Also ich glaube schon, daß die russische Bevölkerung nicht komplett in einer Blase lebt.
Ich weiß nur nicht genau was es noch braucht, damit auch bei den treuesten Unterstützern Putins ein Grübeln einsetzt.
Man weiß es nicht. Aber wenn die Propaganda funktioniert, dann funktioniert sie. Ich kann da zwar nicht mitreden aufgrund Wissenmangels. Aber die Propaganda hat zu DDR-Zeiten doch auch funktioniert, oder? Hüben wie drüben.
Tja, was braucht es noch? Die Frage ist ja erstmal, ob die treuesten Unterstützer (arm wie reich) überhaupt ins Grübeln kommen und welche Möglichkeiten sie dann haben, gegen Putin vorzugehen? Die wollen auch erstmal "nur" Essen und Leben. Und wenn du schon in Knast kommst, weil du gegen das Regime bist oder bestimmte Worte sagst....das überlegst du dir sicherlich dreimal.
Felix von Leitner hat in seinem Blog dazu etwas wiedergegeben. Keine Ahnung, ob die Prozente stimmen. Aber klingt für mich zumindest plausibel, wer wie von den Sanktionen betroffen ist.
Ein Leser leitet mir die deepl-übersetzten Ausführungen eines russischen Journalisten weiter, die ich hier aber lieber nicht verlinken will, weil die von einer russischen Domain kamen. Nicht dass mein Link den in den Knast bringt.
Jedenfalls, der Journalist meint, man muss zu den Sanktionen die Gesellschaft nach Einkommen segmentieren:
...
Mit anderen Worten: Zählt man das zusammen, kommt man direkt auf die 80%, die von den Sanktionen nur mittel bis gar nicht betroffen sind, und daher möglicherweise weiterhin hinter Putin stehen.
https://blog.fefe.de/?ts=9cd32179Mit den "Treuesten Unterstützern" meinte ich eigentlich auch nicht das Volk direkt. Oder irgendwie doch - die gehören ja auch
irgendwie zum Volk.
Putin hatte seit seiner Amtseinführung systematisch damit begonnen, die komplette Infrastruktur von Staat und Land mit seinen Leuten zu besetzen. Im Kreml, in den Schlüsselministerien, in der gesamten Regierung der Russischen Förderation, in den Medien, in den wichtigsten Industrien und Rohstoff-Branchen, bei den Finanzeninstituten, an den Universitäten, bei den neu gegründeten Propaganda-Schmieden, in Verwaltung et cetera... überall hat er Posten mit seinen "Tschekisten", mit alten Kameraden aus KGB und mit geheim operierenden FSB-Agenten besetzt, um die volle Kontrolle zu erhalten.
Ich bin davon überzeugt, daß diese Leute alle hinter dem starken Staat und hinter Putin stehen. Ich habe aber meine Zweifel, daß diese Leute alle auch diesen Krieg befürworten, so wie er geführt wird. Darauf wollte ich hinaus.
Was die Propaganda angeht, so würde ich bestreiten, daß die Haltung des russischen Volkes nur darauf zurückzuführen ist.
Die Russen in den alten und mittleren Generationen haben so ihre "Erfahrungen" mit dem Wimpel der Freiheit und der Demokratie gemacht. Die "Billi & Boris" Zeit bsw., die Zeit des korrupten Kredite für Aktien Programms, die Zeit, in der der ungezügelte Marktkapitalismus an die J.D. Rockefeller/J.P. Morgan Ära in den USA erinnerte, eine Zeit desaströser Privatisierungen, in der der Wohlstand des Landes um über 40% sankt, dazu war im Vergleich die Großen Depression in den USA ein Ferienlager. Eine Zeit geprägt von Dreck und Armut mit dem Ergebnis, daß diese "demokratischen Reformen" den Russen als die Zeit in Erinnerung bleibt, in der das Land von Gangstern, Dieben, von der Mafia ausgeplündert wurde, die Entstehungsgeschichte der Oligarchen. Die Lieblingsgangster des Kreml plünderten die Bodenschätze, schafften die Kohle ins Ausland und teilten die verbliebenen Ressourcen unter sich auf. Die Zeit einer lähmenden Finanzkrise. Eine Zeit geprägt durch einen peinlichen Präsidenten, der Russland durch seine lallenden und wankenden Auftritte in der Öffentlichkeit lächerlich machte, dem die Rechtsstaatlichkeit aus den Händen glitt, der am finanziellen Tropf der Amerikaner, insbesondere Clintons hing.
Man kann sagen: die Russen hatten damals irgendwann genung.
Ich war ja nun oft in Russland, wir haben da Freunde, und meine Erfahrungen sind da ziemlich unterschiedlich.
Für die "Alten", die ganz Alten, spielt immer noch der Große Vaterländische Krieg eine wichtige Rolle, die ruhmreiche Rote Armee, die Verteidigung des Vaterlandes und der Sieg über die "deutschen Faschisten", wie es dort oft heißt. Viele von denen haben auch noch ein interessantes Verhälnis zu Stalin. Einerseits teilen nicht alle seine Morde und Verbrechen, die Gulag's, die Säuberungen. Andererseits ist er der Verteidiger von "Mütterchen Russland", der Befreier und der Sieger über Hitler. Vielfach hat das bei denen einen höheren Stellenwert als alles andere. Und vielfach verbinden sie Putin mit dem Führer, der diese Erinnerungen in Ehren hält bzw. diesen erst wieder die Ehre zukommen liest, die sie verdienten. Der Präsident, der das Land zu dieser alten Stärke zurückführt.
Die mittlere Genaration, teilwiese auch durch die Erfahrungen aus der Zeit Gorbatschows und Jelzins geptägt, tickt da schon anders. Aber auch bei denen haben "Freiheitsrechte", wie wir sie hier selbstverständlich empfinden, nicht immer diesen Stellenwert. Die meisten sind nicht abgeneigt, haben ihren Fokus aber eher der Sicherheit bei Arbeitsplatz, Versorgung, Wohlstand zugewand. Vielleicht etwas ähnlich wie die Chinesen. Bei vielen steht ein starker Staat, der diese Sicherheit garantieren bzw. fördern kann, an erster Stelle, große Lust auf nochmalige Experimente haben eben auch nicht alle. Vorallem - mit wem?
Und auch die Jugend dort habe ich keineswegs ausnahmslos als aufmüpfig und Revoluzzer empfunden, teilweise sind sie sogar derart in den Jugendorganisationen unterwegs, daß mich das an meinen sehr kleinen Teil der DDR-Kindheit erinnerte.
Das sind so meine Erfahrungen, wobei ich natürlich nicht das ganze Land kenne.
Natürlich kommt dann die Propaganda obendrauf, die Putin in den letzten Jahren deutlich intensieviert hat. Und natürlich wird gegen Kritiker auch repressiv vorgegangen.
Aber als "gehirngewaschen" würde ich das russische Volk keinesfalls einstufen. Das war ja auch in der DDR nicht so, nichtmal oder erst recht nicht im Tal der Ahnungslosen.
###
Zu den Prozentangaben kann ich wenig sagen.
Aber wenn das aus den Händen eines russischen Journalisten stammt, wird das wohl stimmen.
Die Sanktionen gegenüber den Oligarchen halte ich persönlich für wenig wirksam. Auch wenn sie die Oligarchen treffen, aber anders als im Westen immer vermutet oder behauptet, haben diese Leute keinen wesentlichen Einfluß auf Putin. Denn diese Typen hängen an seinem Faden, nicht umgekehrt. Die frechsten Gangster, die früher bsw. die Unverschämtheit besaßen, in die Regierungsgeschäfte eines Boris Jelzin hineinzuarbeiten, hat er längst stillgestellt.