Wie ist das eigentlich wenn man z. B. mit dem Staking erst nach einem Jahr anfängt. Bleiben die Coins dann steuerfrei oder haben wir auch hier eine Verlängerung auf 10 Jahre? Habe dazu widersprüchliche Aussagen gelesen. Kann man das irgendwo in einem Gesetz nachlesen?
Die meisten Steuerberater sehen keine Verlängerung der Haltefrist. Ich als interessierter Laie auch nicht. Durch das BMF-Schreiben hat sich die Diskussion nun verlagert.
"Bei Wirtschaftsgütern im Sinne von Satz 1, aus deren Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt werden, erhöht sich der Zeitraum auf zehn Jahre;"
Da das eine vom BMF-Schreiben abgetrennt zu betrachtende Frage ist, würde ich das auch durchaus hier weiter diskutieren.
Ich halte die Auffassung von Steuerberatern, dass sich die Haltefrist nicht verlängert, weil man ja schon die "Steuerfreiheit" nach einem Jahr "erreicht" hat, für falsch.
Das Pferd wird hierbei nämlich von hinten aufgezäumt:
Man erwirbt nicht nach einem Jahr HODLing eine Steuerfreiheit im Sinne eines Rechtsanspruchs, dass keine Steuer anfällt.
Vielmehr wird zum Zeitpunkt der Veräußerung geprüft, ob seitens des Staats ein Rechtsanspruch auf Steuern vorliegt.
Beispiel: ich verkaufe nach 5 Jahren 100 Coins, mit denen ich nach 3 Jahren einmal PoS gemacht habe.
Beim Verkauf mache ich eine Million EUR Gewinn gegenüber meinem Kaufpreis.
Jetzt sind die Fragen zu stellen:
1. Ist das steuerbar?
2. Welche Steuer fällt in welcher Höhe an?
Frage 1 wird beantwortet, indem man prüft, ob "in einem der letzten 10 Jahre Staking betrieben wurde", die Antwort ist JA.
Frage 2 wird mit "Einkommenssteuer" beantwortet, ergo 42%, also
420K EUR SteuerDie umgekehrte Frage "
wäre das schonmal zu irgendeinem Zeitpunkt möglicherweise steuerfrei gewesen?" wird nicht gestellt.
Man kann nun IMHO allenfalls argumentieren, dass ein gewöhnlich vernünftig handelnder Mensch, der über die Steuerbarkeit bei Staking informiert gewesen wäre, im vorliegenden Fall seine HODL-Coins zunächst verkauft hätte, um bis dahin angefallene Kursgewinne steuerfrei zu haben. Er hätte dann in Folge die Coins fürs Staking neu erworben, so dass nur für den Gewinn seit dem ersten Tag Staking der Kursgewinn zu versteuern wäre.
Und diese Sichtweise halte ich auch für schlüssig.
In diesem Falle wäre also:
1. Verkauf der 100 HODL-Coins nach 2,5 Jahren steuerfrei, bzw. nicht steuerbar, mit Gewinn bspw. 500.000 EUR
1.a) Erwerb der 100 PoS-Coins nach 2,5 Jahren
1.b) Verkauf der PoS-Coins innerhalb der zehn Jahre Haltefrist mit einem gewinn von 500.000 EUR
2. 42% Prozent Einkommensteuer auf 500.000 EUR =
210K EUR SteuerInsofern gehe ich von einem
fiktiven Tausch der HODL-Coins gegen die PoS-Coins aus, zu dem Zeitpunkt, an dem mit Staking begonnen wird.
Das hat nun seinerseits allerdings einen Nachteil: damit beginnt die 10-Jahres-Haltefrist tatsächlich am Tag des ersten Stakings, und nicht mit dem Tag des ursprünglichen Erwerbs der HODL-Coins.
Und da wiederum beide Sichtweisen gültig sind, aber eine Wahlfreiheit im eigentlichen Sinne nicht besteht, wäre das IMHO in diesem Sinne ein Fall für die sogenannte Günstigerprüfung.
Wohlgemerkt: ich bin weder Steuerberater noch Anwalt.